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Krank durch das Klima

Von Petra Tempfer

Politik

Mehrjährige Studie zeigt gesundheitliche Risiken des Klimawandels auf.


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Wien. Mehr Tropennächte, höhere Pollenbelastung, neue Insektenarten: Der vergangene Sommer der Rekorde, der nach 2003, 2015 und 2017 der viertheißeste der 252-jährigen Messgeschichte und extrem trocken war, hat einmal mehr verdeutlicht, dass wir uns mitten im Klimawandel befinden. Über das Jahr gerechnet ist es in Österreich schon um fast zwei Grad wärmer als 1880, wobei sich der Anstieg in den vergangenen 20 Jahren deutlich beschleunigt hat. Das wirkt sich freilich auf die Gesundheit aus: Anhaltende Hitze ist für den Körper eine enorme Belastung, weil er seine Temperatur bei 37 Grad Celsius halten muss, damit die Organe funktionieren können.

Inwieweit sich das Klima weiter wandeln wird, welche gesundheitlichen Risiken damit einhergehen und wie man diesen entgegenwirken könnte, haben mehr als 60 Forscher aus Medizin, Klimaforschung und Demographie im Auftrag des Klima- und Energiefonds in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet. Die Ergebnisse liegen nun vor, am Donnerstag hat Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) den nationalen "Sachstandsbericht zum Thema Gesundheit, Demographie und Klimawandel" präsentiert.

Mehr Allergien und Insekten

Diesem zufolge wird sich die Anzahl der Hitzetage während Hitzewellen bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln, während im gleichen Zeitraum der Anteil der über 65-Jährigen um zehn Prozent wachsen wird. Dadurch steigt das Gesundheitsrisiko für diese stärker an.

Neben der höheren Belastung für den Kreislauf wird dem Bericht zufolge auch die Pollenbelastung steigen. Die Pollensaison verlängert sich, zudem kommen die Pollen wärmeliebender, invasiver Pflanzenarten wie Ragweed (Traubenkraut, Ambrosia) vermehrt hinzu - jährlich wandern sechs neue Pflanzenarten ein. Aktuell seien rund 1,75 Millionen und damit 20 Prozent der Österreicher von allergischen Erkrankungen betroffen, heißt es. Folgt Österreich dem europäischen Trend, könnten es in zehn Jahren 50 Prozent sein.

Gleichzeitig wächst die Gefahr, dass sich Krankheitserreger, die so mancher bisher nur aus Urlauben im Süden kannte, auch in Österreich ausbreiten. So werden subtropische und tropische Stechmücken wie die Tiger- und Buschmücke hier bessere Überlebensbedingungen vorfinden - sie sind dafür bekannt, Dengue- und Gelbfieber zu übertragen. Ähnlich heimisch könnte sich bald die Anopheles-Mücke fühlen (sofern es feucht genug bleibt), die auch Malariamücke genannt wird. Culex-Mücken wiederum übertragen das West-Nil-Fieber. Auch Zecken, die FSME- und Borreliose-Erreger in sich tragen können, vermehren sich bei steigender Hitze besser. Das Gleiche gilt für Nager.

Und auch die Zunahme der Extremwetterereignisse wie lang andauernde Trockenheit, Stürme oder massive Niederschläge wird gravierende Folgen haben. Und zwar nicht nur wirtschaftliche Folgen in Form hoher Kosten durch Ernteausfälle, sondern auch auf die Wasserqualität und -verfügbarkeit.

Als Konsequenz aus all dem und vor allem aufgrund des wachsenden Anteils der Älteren wird es in Zukunft mehr Hitzetote geben, so Köstinger. Im Vorjahr, als es ebenfalls einen heißen Sommer gab, sind 586 Menschen aufgrund der Hitze gestorben - signifikant mehr als zwischen 2003 und 2012, als durchschnittlich 240 Hitzetote gezählt wurden, und mehr, als im Verkehr ums Leben kamen (413). Man gehe davon aus, so Köstinger, dass die Anzahl der Hitzetoten bis 2050 auf 1000 pro Jahr steigen werde.

Stadtbewohner stärker betroffen

Vor allem Stadtbewohner werden von der Hitze betroffen sein. Hier könnte man mit Grünachsen durch die Stadt und größeren Wasserstellen Abhilfe schaffen, sagte der zentrale Autor des Berichts, Willi Haas von der Boku. Zudem müssten Häuser besser gedämmt werden. Damit die Bevölkerung Vorkehrungen gegen anrollende Hitzewellen treffen kann, hat das Gesundheitsministerium 2017 gemeinsam mit den Ländern einen Hitzeschutzplan erstellt. Ziel ist es, Bevölkerung und Einrichtungen rechtzeitig über Hitzewellen zu informieren und Beratung zur Verfügung zu stellen.

Was die invasiven Pflanzen und Insekten betrifft, arbeitet man laut Köstinger an einer Strategie, um diese zu bekämpfen. Beim Klimaschutz an sich brauche es aber generell internationale Lösungen. Der Part Österreichs sei, seine Ziele zu erfüllen: Der "#mission2030" zufolge soll zum Beispiel Strom bis 2030 ausschließlich aus erneuerbaren Energien kommen.

Der Umweltorganisation Greenpeace ist das allerdings zu wenig, sie forderte einen sofortigen Stopp der von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) eingeführten Tempo-140-Teststrecken, weil das die Emissionen deutlich erhöhe. Gegenüber Tempo 130 sei der Feinstaubausstoß bei Tempo 140 um 18 Prozent höher. Köstinger, darauf angesprochen, dazu: "Hofer hat sich zur Reduktion des CO2-Ausstoßes um 7,2 Millionen Tonnen im Verkehr bis 2030 verpflichtet. Wir sind dabei, Maßnahmen umzusetzen, dazu gehört auch der Umbau der Mobilität." Für Hofer selbst scheinen Tempo 140 und Klimaschutz kein Widerspruch zu sein - wenn es nach ihm geht, soll das höhere Tempo mit Elektroautos gefahren werden, sagte er.