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Kranke Tiere, kranke Menschen

Von Sebastian Theissing-Matei

Gastkommentare
Sebastian Theissing-Matei ist Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace Österreich. Foto: Greenpeace/Georg Mayer

Man stelle sich vor, man würde gesunden Familienmitgliedern immer vorsichtshalber Antibiotika geben.


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Wenn wir nicht rasch handeln, könnte es bald gegen viele Infektionen kein wirksames Medikament mehr geben. Immer mehr Bakterien werden resistent gegen Antibiotika. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass in der EU jährlich 25.000 Menschen an Infektionen sterben, die sich nicht mehr durch Antibiotika behandeln lassen. Die wahre Zahl liegt vermutlich höher, da es dazu kein einheitliches und verpflichtendes Meldesystem gibt. Eine von der britischen Regierung eingesetzte Kommission kommt zu dem Schluss, dass - sollte es so weitergehen - im Jahr 2050 weltweit zehn Millionen Menschen pro Jahr an Keimen sterben werden, gegen die kein Antibiotikum mehr wirkt. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt schon seit Jahren vor dieser Gefahr.

Gefährliche "Reserve-Antibiotika"

Die Ursache dieser Bedrohung für unsere Gesundheit ist der viel zu hohe und unverantwortliche Einsatz von Antibiotika: Denn je mehr Antibiotika wir verwenden, umso schneller passen sich die Keime an. Die Forschung kommt dabei nicht ansatzweise hinterher. Vom Hausarzt unnötig verschriebene Antibiotika sind eine Seite des Problems. Die andere Seite ist der routinemäßige Einsatz von Antibiotika in der Intensivtierhaltung. Wenig Platz, viele Tiere auf engem Raum, unnatürliche Standflächen wie etwa Spaltenböden oder frühes Wegreißen der Jungtiere von den Müttern machen die Tiere anfällig für Krankheiten und Infektionen. Die Herdenbehandlung gehört dann zur Routine. Das heißt etwa, dass ein ganzer Schweinestall mit Antibiotika behandelt wird, selbst wenn nur einige wenige Tiere krank sind. So erhalten auch gesunde Schweine regelmäßig eine Dosis des Medikaments. Man stelle sich vor, man würde gesunden Familienmitgliedern immer vorsichtshalber Antibiotika geben. Was in diesem Fall absurd wirkt, ist in der intensiven Tierhaltung Realität.

Wenn wir unser Gesundheitssystem nicht in eine enorme Krise schlittern lassen wollen, müssen wir den Einsatz von Antibiotika drastisch reduzieren - sowohl beim Menschen als auch beim Tier. Routinemäßige Herdenbehandlungen haben da keinen Platz. Auch der häufige Einsatz von Antibiotika, die für Menschen besonders wichtig sind ("Reserve-
Antibiotika"), muss in der Tierhaltung beendet werden. Noch besser wäre es, das Übel an der Wurzel zu packen: Die Intensivtierhaltung muss insgesamt überdacht werden, denn deren Haltungsbedingungen stellen grundsätzlich ein Gesundheitsrisiko für die Tiere dar. Der Einsatz großer Mengen an Antibiotika ist hier praktisch unvermeidbar.

Fleisch ohne Antibiotika ist möglich, nicht nur auf Biohöfen

Dass es anders geht, zeigen bereits Betriebe in ganz Österreich und Europa - viele, aber nicht alle, sind Biobetriebe. Bei einer entsprechenden Anpassung der Haltung mit mehr Platz, natürlichen - etwa mit Stroh bedeckten - Böden und entsprechendem Beschäftigungsangebot ist es möglich, Fleisch mit wenig bis gar keinen Antibiotika herzustellen.

Jetzt ist die Politik gefordert, dafür zu sorgen, dass die regelmäßige Herdenbehandlung und der Einsatz von Reserve-Antibiotika verboten werden. Außerdem müssen Bauern unterstützt werden, die auf nachhaltige Tierhaltung ohne großflächigen Antibiotika-Einsatz umstellen wollen.