Im Juni waren 492 Personen wegen Langzeitfolgen arbeitsunfähig, die Hälfte aber dauerhaft.
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Mit Ende Mai hat die Klinik Hietzing ihre Long-Covid-Ambulanz geschlossen. Der Bedarf gehe zurück, hieß es vom Wiener Gesundheitsverbund. Aktuelle Daten der ÖGK deuten auch auf diese Entwicklung hin, gleichzeitig wächst aber der Anteil jener Menschen, die von langen und schweren Verläufen dieser postviralen Zustände betroffen sind.
Die spezialisierte Ambulanz in Hietzing war ursprünglich als erste Anlaufstelle für Betroffene konzipiert. Wie bei anderen Erkrankungen auch soll diese Aufgabe künftig grundsätzlich der hausärztliche Bereich erledigen. In den kommenden Wochen werden dafür neue Leitlinien veröffentlicht, die einerseits das weitgefasste Phänomen von Long-Covid präziser definieren sollen, andererseits diesen Erkrankungszustand auch für andere ursächliche Erreger öffnen wird. Dass etliche Viren langfristige Beschwerden auslösen können, war bereits vor Covid bekannt, der massenweise Anfall in der Pandemie hat aber das Bewusstsein dafür geschärft und viel Forschung auslöst. Deren Erkenntnisse werden sich in der neuen Leitlinie wiederfinden.
Abnahme seit September
Nach wie vor ist nicht klar, wie verbreitet Long-Covid tatsächlich ist. Die Bandbreite der Symptome und Schweregrade ist groß. Zudem haben sich im Lauf der Pandemie die Parameter verändert. Die Zahlen der ÖGK deuten darauf hin, dass die Häufigkeit jedenfalls abgenommen hat, vermutlich durch die hohe Immunität in der Bevölkerung sowie die etwas mildere Omikron-Variante.
Seit im Frühling 2021 Diagnose-Codes für Long-Covid (eigentlich: Post-Covid) etabliert wurden, fielen 92.874 Krankenstände bei der ÖGK an, 90 Prozent davon wurden aber schon bis September des Vorjahres registriert, seither nur mehr rund 9.100. Auch die Zahl der laufenden Krankenstände hat in diesem Zeitraum von 1.290 auf 492 abgenommen.
Die Daten der ÖGK umfassen etwa 80 Prozent der unselbständig Beschäftigten, keine Kinder und keine Pensionisten. Vor allem aber exkludieren sie Betroffene, die zwar arbeitsfähig sind, aber dennoch von Symptomen geplagt werden. Es ist zudem plausibel, dass es eine Untererfassung gibt, vor allem bei kürzeren Krankenständen, wenn auf dem oft mühevollen Weg bis zur endgültigen Diagnose eine Genesung eintritt.
Versicherungsdaten sind primär dafür geeignet, die volkswirtschaftliche Dimension von Long-Covid zu untersuchen. Doch auch dies ist vorerst noch ein Fischen im Trüben. Frühe Befürchtungen, dass rund zwei Prozent der Infizierten über Monate ausfallen könnten, traten nicht ein. Dies lässt sich nicht aus den Zahlen der ÖGK herauslesen.
Datenprobleme
Am Institut für Höhere Studien wird gerade an einer größeren Studie zu den ökonomischen Folgen gearbeitet. Österreich verfügt über eine hervorragende Datenbasis beim Arbeitsmarkt sowie über gute epidemiologische Zahlen durch das Meldesystem EMS. Die Idee von IHS-Gesundheitsökonom Thomas Czypionka war, diese zwei Datensätze zu verknüpfen, um zu sehen, ob innerhalb einer gewissen Zeit nach einer Infektion häufiger Veränderungen eintreten, vom Krankenstand über Rehabilitation bis zur Reduktion von Arbeitsstunden. Die Verschränkung der Datensätze ist jedoch gesetzlich verboten, für die Studie muss das IHS daher wieder einmal zu Zahlen aus anderen Ländern greifen, obwohl gute Daten vorhanden wären.
Was aus den ÖGK-Zahlen zu lesen ist: Sehr lange Krankenstände sind selten. Bei 1.233 Personen dauerten sie länger als ein halbes Jahr, wobei auch die Zahl der laufenden Dauer-Krankenstände auf zuletzt 272 Patienten gesunken ist. Gleichzeitig steigt ihr Anteil an der Gesamtheit. Anfang Juni war fast die Hälfte aller aktiven Krankenstände wegen Post-Covid zumindest ein halbes Jahr arbeitsunfähig. "Bei einem Teil wird es relativ schnell besser. Bei dem Teil, bei dem es bleibt, bleibt es lang", sagt Susanne Rabady, die als Präsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin an der Long-Covid-Leitlinie arbeitet.
Weniger Reha-Nachfrage
Diese Entwicklung berührt auch die Pensionsversicherung, die für Rehabilitation zuständig ist. Auch die Zahlen der PV lassen auf eine geringere Nachfrage schließen. Bisher sind 12.700 Personen mit Zuweisungsdiagnose Covid-19 auf Rehabilitation gegangen, wobei sich die Einrichtungen in Hochegg in Niederösterreich und Weyer in Oberösterreich spezialisiert haben. Die Zahlen von heuer dürften deutlich unter jenen des Vorjahres liegen.
Für alle Patienten, also auch jene, die arbeitsfähig bleiben, ist der Weg zu einer Diagnose oft mühsam und weit, da Post-Covid zumeist eine Ausschlussdiagnose ist, die nicht unmittelbar aus einem Blutbefund oder einem bildgebenden Verfahren herausgelesen werden kann. Dieser Weg soll künftig verstärkt über den niedergelassenen Bereich begonnen werden. Meist tritt bald Besserung ein, für lange Betroffene ist die Spezial-Ambulanz gedacht.