Immunsystem mancher Tiere könnte die tödliche Krankheit bekämpfen. | Praxistest im Nordwesten Tasmaniens. | Aussterben könnte für die Natur der Insel fatale Folgen haben. | Berlin/Sydney. Das Beuteltier ist nicht größer als ein Fuchs. Doch mit pechschwarzem Fell, feuerroten Ohren und einem infernalischen Gestank erinnert es an mittelalterliche Vorstellungen vom Teufel. Die wissenschaftlich Sarcophilus harrisii genannte Art lebt seit dem 14. Jahrhundert nur noch auf der zu Australien gehörenden Inseln Tasmanien und wird heute meist "Tasmanischer Teufel" genannt.
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1996 schien sich dieser Name zu bestätigen, als die Tiere massenweise ansteckenden Tumoren zum Opfer fielen. Die teuflische Krebsepidemie trifft zwar keine anderen Arten, droht den Beutelteufel aber auszurotten. Überleben könnte die Art wohl nur auf Grund einer Besonderheit im Immunsystem einiger weniger Tiere, meinen Hannah Siddle von der University of Sydney und ihr Team in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B".
Bisher schien die Krebserkrankung sich rasant auszubreiten und tötete die erkrankten Tiere binnen weniger Monate. Stirbt der Tasmanische Teufel aus, könnte das für die Natur der Insel fatal sein. Zwar sind die Beuteltiere aggressiv - sie haben im Verhältnis zu ihrem Gewicht von maximal acht Kilo den kräftigsten Biss aller Säugetiere, den sie häufig einsetzen. Dennoch ernähren sie sich von verendeten Tieren. Und weil sie das Aas mit Haut, Haaren und Knochen verschlingen, ist davon nach wenigen Stunden fast nichts mehr übrig. Damit sind auch Krankheitserreger weg, die sonst auf andere Arten überspringen können, den Teufel selbst aber nicht gefährden.
Fehlt Gesundheitspolizei, breiten sich Krankheiten aus
Fehlt diese Gesundheitspolizei, könnten sich Krankheiten schneller und leichter ausbreiten. Seit im Nordosten Tasmaniens der erste Beutelteufel mit den Tumoren entdeckt wurde, befürchten Naturschützer genau diese Entwicklung. Der Krebs beginnt mit Schwellungen um das Maul und breitet sich von dort vor allem am Kopf und im Nacken aus. Wird der Tumor zu groß, können die Tiere nicht mehr fressen und sie verhungern. Oft bilden sich Tochtergeschwulste in den Organen.
Für die Art verhängnisvoll ist die Tatsache, dass kranke Tiere ihre Artgenossen anstecken. Jedoch fanden die Wissenschafter keine Erreger, die solche Tumore übertragen können. Vielmehr beißen sich männliche Beutelteufel bei Kämpfen um Weibchen - krebskranke Tiere übertragen dabei Krebszellen auf den Rivalen.
Bei anderen Arten werden so übertragene Krebszellen von der Körperabwehr erkannt und vernichtet. Wirbeltiere vom Hai bis zum Menschen haben auf der Zelloberfläche Proteine zur Immunabwehr, sogenannte "MHC" (Haupt-Histo-Kompatibilitätskomplex). Die MHC unterscheiden sich zwischen den Individuen einer Art stark. An fremden MHC-Proteinen erkennt das Immunsystem meist die Zelle eines anderen Individuums und vernichtet sie. Das erschwert Organ-Transplantationen, verhindert jedoch die Übertragung von Tumoren.
Proteine als Versicherunggegen neue Infektionen
Normalerweise haben Tiere derselben Art unterschiedliche MHC-Proteine. Die Unterschiede sind eine Art Versicherung gegen neue Infektionen: Da einzelne MHC unterschiedlich gut mit verschiedenen Krankheitserregern fertig werden, garantiert die MHC-Vielfalt, dass zumindest einige Tiere mit günstigen MHC eine neue Epidemie überleben.
Weshalb das ausgerechnet beim Tasmanischen Teufel anders ist, überraschte die Forscher: Die MHC-Proteine der Beutelteufel ähneln sich. Als die Wissenschafter nachwiesen, dass alle krebskranken Teufel einen identischen Tumor mit genau diesen MHC-Proteinen hatten, waren die Zusammenhänge klar. Das Immunsystem eines gebissenen Tieres erkannte übertragene Tumorzellen nicht. Seit 1996 sind rund 70 Prozent aller Beutelteufel der Krankheit zum Opfer gefallen.
Wird sich die Theorie in der Praxis bewähren?
Die Zellen der Teufel im Nordosten Tasmaniens haben jeweils eine sehr ähnliche Mischung zweier MHC-Typen, fand Hannah Siddle heraus. Für diese Tiere erwies sich der ansteckende Krebs daher als tödlich.
Im bisher noch nicht von der Epidemie betroffenen Nordwesten Tasmaniens hat aber jedes fünfte Tier entweder nur den MHC-Typ 1 oder den Typ 2. Das Immunsystem dieser Tiere sollte daher Zellen des Tumors mit beiden MHC-Typen bekämpfen, von denen einer zwangsläufig fremd ist. Ob sich die Theorie in der Praxis bewährt, wird sich zeigen: Die Epidemie erreicht derzeit eine Region, in der wenige Teufel mit nur einem MHC-Typ leben. Dort könnten Immunologen zum ersten Mal sehen, ob unterschiedliche MHC auch beim Teufel gegen die Krebs-Infektion wirken.