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Krankhafte "Wimmerln" werden besser behandelbar

Von Wolfgang Kappler

Wissen

"Ach die paar Wimmerln, das geht schon vorbei", versuchen Erwachsene meist ihren pubertierenden Nachwuchs zu trösten. Und im Allgemeinen stimmt das auch, es sei denn, bei den "Wimmerln" - auf Deutsch: Pickel - handelt es sich um die krankhaften Entzündungsprozesse der Haut mit Namen Akne. Denn diese trotzen oft allen Cremen und Salben, ja sogar Antibiotika-Therapien, und treiben vor allem Jugendliche zum | häufigen Kratzen und zur Verzweiflung, bisweilen bis zu Selbstmordideen. Einige wesentliche Entstehungsmechanismen der Pubertätsakne hat die Wissenschaft inzwischen | erkannt:


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An den Talgdrüsen bewirken die männlichen Sexualhormone (Androgene) eine gesteigerte Talgproduktion. Die Haut wird fettig. Auch vermehren sich unter dem Einfluss dieser Hormone die Hornzellen schneller oder der Verhornungsprozess verläuft nach einem gestörten Muster. In der Folge verstopfen die Talg-Ausführungsgänge, es bildet sich ein Pfropf. Von ihm gestauter Talg wird durch eingeschlossene Hautpigmente und Oxidation als schwarzer Mitesser sichtbar. In wel

chem Ausmaß die Hormone am Haarbalg wirksam werden, ist zum Teil genetisch bedingt.

Weiterer Mechanismus: An sich harmlose Propionibakterien, die überall auf der Haut vorkommen, vermehren sich im Milieu der Mitesser rasant und sind ein gefundenes Fressen für Entzündungszellen. Rote Pickel und eitrige Bläschen sind sichtbares Zeichen für die daraus resultierenden entzündlichen Prozesse und werden von den meisten Betroffenen als störend, entstellend, belastend und schmerzhaft empfunden. Etwa 15 Prozent aller Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren haben solch eine schwere Akne, die damit zu einer Hauterkrankung mit starkem Leidensdruck wird.

Das könnte künftigen Generationen möglicherweise erspart bleiben. Wissenschaftlern der Universitäten Göttingen und Ulm ist es jetzt gelungen, das Erbgut des Propionibacterium acnes vollständig zu entschlüsseln. Aus diesem Bauplan ermittelten die Teams um die Mikrobiologen Gerhard Gottschalk und Peter Dürre jene Mechanismen, mit denen das Bakterium die Akne so richtig zum Blühen bringt und sie zu einer behandlungsbedürftigen Krankheit macht. Von den hochaktiven Talgdrüsen produziertes Wasser und Talg dienen den Bakterien als Futter.

"Dabei scheidet das Propionibacterium acnes Enzymsysteme aus, die praktisch alle Komponenten des Talgs und der Gewebeoberflächen so zerlegen, dass sich der Vermehrungsprozess weiter fortsetzt", erklärt Gottschalk. Im Genom des Bakteriums fanden die Forscher nun auch eine Reihe von Erbgut-Abschnitten, die für die Produktion bestimmter Reizstoffe verantwortlich sind. Durch die starke Vermehrung der Bakterien werden diese Stoffe verstärkt produziert. Offensichtlich sind sie in größeren Mengen "giftig". Dadurch wird das Abwehrsystem der Haut stärker aktiviert, Entzündungen sind die Folge.

Gottschalk ist sich sicher: "Daraus ergeben sich neue Therapiemöglichkeiten, die über die Behandlung mit Antibiotika oder den Einsatz von Oxidationsmitteln hinaus gehen". Insgesamt ist die Behandlung der Akne ohnehin deutlich besser geworden. "Der wissenschaftliche Fortschritt war in den letzten Jahren enorm", sagt zum Beispiel Prof. Michael Sticherling von der Universität Leipzig. Die Entstehung der Akne sei inzwischen soweit verstanden, dass grundlegend neue Therapiekonzepte daraus abgeleitet werden konnten.

"Aknepatienten steht heute eine große Anzahl von sehr wirksamen Medikamenten zur äußerlichen, innerlichen und kombinierten Behandlung zur Verfügung, mit der schwere Verläufe verkürzt oder ganz verhindert werden können", bestätigt auch Prof. Harald Gollnick von der Universität Magdeburg. "Dennoch müssen sich Betroffene klar darüber sein, dass es selbst bei einer konsequent durchgeführten Behandlung lange dauern kann, bis sich erste Erfolge zeigen, und dass es keine hundertprozentige Heilung geben kann", so Sticherling, "denn die Akne abzuschalten, hieße, die ursächlichen Hormonturbulenzen abzuschaffen. Das wäre vermessen."

Jugendliche sollten sich deshalb fachärztlichen Rat holen, da mit einer guten Aknebehandlung Narben (auch die seelischen) vermieden werden können. Sticherling: "Wenn erst einmal Narben zurückgeblieben sind, sind die Möglichkeiten ihrer Beseitigung relativ begrenzt. Einiges kann eine Laserbehandlung leisten, einiges lässt sich durch Schleifen verbessern. Oft wird aber mehr versprochen als wirklich machbar ist". Das Beste sei hier, durch den rechtzeitigen Gang zum Hautarzt zu verhindern, dass solche Narben überhaupt erst entstehen, so der Leipziger Dermatologe. n