Parteien haben Wege gefunden, Transparenzregeln zu umgehen. Das strengere Parteiengesetz soll im Juli beschlossen werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der österreichische Nationalrat startet bald in die Sommerpause. Mit einem davor beschlossenen strengeren Parteiengesetz, wie die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer Freitagmittag der "Wiener Zeitung" versicherte. Die Novelle soll für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung sorgen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat zwar am Mittwoch die Beratungen über den Entwurf vertagt, eine Fristsetzung soll aber den Beschluss im Nationalrat Anfang Juli garantieren. Maurer reagierte mit ihrer Klarstellung auf den Bericht der "Wiener Zeitung", wonach durch die Vertagung der Sanktus erst für Herbst zu erwarten sei.
Geplant ist eine Ausweitung der Veröffentlichungspflichten der Parteien sowie der Prüfrechte des Rechnungshofes. Strafen für die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze sollen verschärft werden, auch strengere Regeln für Parteispenden sind angedacht.
Bisher haben vor allem SPÖ und ÖVP Schlupflöcher in den Transparenzregeln zu ihrem Vorteil genutzt. So führt etwa der ÖVP-Seniorenbund formal eine Doppelexistenz, als den Transparenzregeln unterliegende Parteiorganisation und als offiziell unabhängiger Verein. Der Rechnungshof zweifelt an einer klaren Trennung. Nachdem im kürzlich veröffentlichen ÖVP-Rechenschaftsbericht die Einnahmen und Ausgaben der Vereine nicht berücksichtigt wurden, erstattete der Rechnungshof Anzeige beim unabhängigen Parteintransparenzsenat (UPTS) wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Denn sollte der Verein mit der Teilorganisation ident sein, müsste auch er etwa Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen offenlegen, ansonsten wäre der Rechenschaftsbericht unvollständig.
Der Rechnungshof sieht jedenfalls mehrere Hinweise für verschwimmende Linien zwischen Teilorganisation und Verein. So beschreibt sich der Seniorenbund selbst in von ihm veröffentlichten Presseunterlagen im Juni 2021 mit: "Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessensvertretung in einem." Die Sitze der Vereine sind oft deckungsgleich mit dem der jeweiligen Bundes- und Landesparteien und auch beim Online-Auftritt des Seniorenbundes ist nicht immer klar, um welche Organisation es sich handelt. Auch die Formulierungen in den Beitrittserklärungen geben dem Rechnungshof Anlass für Zweifel: Wer etwa in Oberösterreich dem Verein beitritt, wird auch Parteimitglied.
Die Doppelexistenz des Seniorenbundes wird die Prüfer auch in den nächsten Jahren beschäftigen: Denn wie kürzlich bekannt wurde, erhielt der Seniorenbund Oberösterreich als Verein rund zwei Millionen Euro an Corona-Hilfen aus einem Fonds zur Unterstützung gemeinnütziger Vereine. Parteiorganisationen sind davon explizit ausgenommen.
"Juristischer Kunstgriff"in der SPÖ
Doch auch die SPÖ ist kreativ geworden, um Transparenzvorgaben auszuweichen. Nachdem 2012 ein neues Transparenzgesetz in Kraft trat, das auch parteinahe Organisationen verpflichtete, ihre Spendeneinnahmen offenzulegen, trennten sich die Sozialdemokraten formal von der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) und dem SPÖ-Pensionistenverband. Stattdessen gründeten beide Organisationen jeweils einen Verein, der seither als Vorfeldorganisation der Partei gilt und die Delegiertenstimmen übernommen hat. Mitglieder der Vereine sind die Landes- und Ortsgruppen des Pensionistenverbandes beziehungsweise die Teilvereine der FSG. Die beiden ursprünglichen Organisationen haben ihre Statuten gerändert, sodass sie nicht mehr in die Definition einer parteinahen Organisation fallen - und damit auch nicht unter die damals eingeführten Transparenzregeln. Man wolle den zahlreichen Ortsgruppen den administrativen Aufwand ersparen, den das Veröffentlichen der Spendengelder mit sich bringen würde, begründete damals der Pensionistenverband sein Vorgehen. Der auf Parteienfinanzen spezialisierte Politologe Hubert Sickinger spricht von einem "juristischen Kunstgriff".
Die geplante Neuregelung der Parteienfinanzierung würde diesem Konstrukt allerdings einen Riegel vorschieben. Der Entwurf sieht nämlich vor, dass alle jene Organisationen, die durch Delegierung an der Willensbildung einer Partei involviert sind, unter die strengeren Vorschriften fallen würden.
Für den Seniorenbund ändert sich nichts
Wird das so beschlossen, so wären FSG und Pensionistenverband betroffen. So war etwa der Präsident des Pensionistenverbandes,, Peter Kostelka, früher lange Zeit Klubobmann der SPÖ im Parlament, und ist nun Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstandes und als solcher an der Willensbildung bei SPÖ-Entscheidungen beteiligt. Allerdings gibt es im Pensionistenverband bereits Überlegungen, auf mögliche neue Regeln zu reagieren. Wenn es zur Beschlussfassung der Novelle zur Parteienfinanzierung in der bisher vorliegenden Form kommt, "dann werden wir das Verhältnis neu bewerten", kündigt der Geschäftsführer des Pensionistenverbandes, Andreas Wohlmuth, an.
Für Mathias Huter, Obmann des Forums Informationsfreiheit, geht die Reform "etwas in die richtige Richtung", die Definition für parteinahe Organisationen, die unter die Transparenzregeln fallen, sei aber nach wie vor zu eng gefasst und lasse Spielraum für Umgehungskonstruktionen. Vereine, die ihren Sitz an der Adresse einer Partei haben oder in deren Vorstand leitendes Personal einer Partei vertreten ist, seien etwa nicht automatisch umfasst, Parlamentsklubs und Parteiakademien sogar ausdrücklich ausgenommen.
Für den ÖVP-Seniorenbund ändert sich mit dem neuen Gesetz nichts. Als ÖVP-Teilorganisation ist er schon jetzt von den Veröffentlichungspflichten umfasst, als - theoretisch - unabhängiger Verein nicht. Wie es mit der Doppelexistenz weitergeht, wird von der Entscheidung des UPTS abhängen. "Falls der Seniorenbund mit seiner formalen Argumentation recht behalten sollte, dann wäre der Verein nicht einmal eine nahestehende Organisation", so Sickinger. Allerdings bezweifelt er, dass das Konstrukt vor dem UPTS halten wird: "Das glaubt der Rechnungshof ebenso wenig, wie alle, die den Seniorenbund kennen."