Derzeit schwappen 30 Billionen Dollar an CDS um die Welt. | Riesenängste vor Kettenreaktionen bei Versicherungsausfall der dritten Partei. | Erst jetzt treten Politiker auf den Plan. | Für die amerikanische Investorlegende Warren Buffett ist das Kürzel CDS (Credit Default Swaps) gleichbedeutend mit "finanziellen Massenvernichtungswaffen". Sein Land hat sich immerhin innerhalb der G20 geeinigt, bis zum Ende von 2012 eine zentrale Meldestelle für den Handel mit Kreditderivaten einzuführen. Geht doch unter anderem der Zusammenbruch des amerikanischen Versicherungsriesen AIG vor allem auf das Konto dieser außerbörslich gehandelten Wertpapiere.
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Doch diese Pläne gehen vielen Ländern der Europäischen Union nicht weit genug. Am 16. März werden die EU-Finanzminister angeblich über Restriktionen beraten. Vergangenen Sonntag sagte Griechenlands Premier Giorgos Papandreou, dass jedenfalls Frankreich, Deutschland und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker bereit sind, Maßnahmen zu verhängen. Denn das an dem Rande der Pleite stehende Griechenland selbst wurde nach Ansicht mancher in den vergangenen Wochen Opfer des Handels mit CDS, die die Probleme des Staats nur vergrößern würden. Sogar Lord Adair Turner, Chef der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA, setzt sich für eine scharfe Kontrolle des bislang nahezu unregulierten Markts ein: Entweder strengere Regeln für Kreditderivate oder ein Verbot derartiger Ausfallversicherungen. Großbritannien ist innerhalb der EU der größte Umschlagplatz von CDS.
"Mit Credit Default Swaps ist es wie mit der Hölle. Man kommt leicht hinein, aber nur schwer wieder heraus", äußerte schon vor acht Jahren Warren Buffett seine Zweifel an den Finanzderivaten. Der 79-jährige Großmeister in Sachen Spekulation und zweitreichster Mensch der Welt hat immer seine Finger von CDS gelassen: Die Tatsache, dass deren Risiken von den Zentralbanken weder überwacht noch kontrolliert werden können, berge für das ohnedies angeschlagene Finanzsystem eine geradezu tödliche Gefahr.
Erfunden wurde diese Zeitbombe von der Cambridge-Absolventin Blythe S. Masters. Mitte der Neunziger war die gebürtige Britin maßgeblich an der Entwicklung jenes beinahe revolutionären Risikoprodukts beteiligt, das gut zehn Jahre später einer der Auslöser der Finanzkrise werden sollte. Die Investmentbankerin, die es mit 34 zum Chief Financial Officer des Bankhauses JP Morgan brachte, hatte damals das Kunststück geschafft, mit Swaps das Ausfallrisiko einer Forderung über Dritte abzusichern und das Ganze in Form eines eigenständigen Wertpapiers handelsfähig zu machen (siehe Kasten).
Damit war die Grundvoraussetzung erfüllt, um diverse exotische Ausformungen an forderungsbesicherten Wertpapieren (Asset Backed Securities) salonfähig zu machen. Die Masters-Idee wurde rasch zum Renner: Die Banken gingen zunächst einmal davon aus, auf diese Weise das Risiko weltweit streuen zu können. Und nachdem die Kreditrisiken in den USA in diesem Jahrzehnt dramatisch anstiegen, wurde das Kürzel CDS unheimlich beliebt.
Alsbald gaben auch Investmentbanken oder Hedge Fonds in erheblichem Umfang derartige Papiere aus. Mitte 2008 betrug deren Nominalwert schon 68 Billionen Dollar - 40 Mal so viel wie sechs Jahre davor. Das derivativ gehandelte Kreditvolumen entsprach damals in etwa dem weltweiten Bruttoinlandsprodukt. Doch während die Ausfallraten seinerzeit lediglich bei rund 10 Prozent lagen, erwiesen sich vor Ausbruch der US-Hypothekenkrise schon 40 Prozent der versicherten Unternehmen oder Wertpapiere als nicht mehr anlagewürdig.
Mit CDS haben sich jedenfalls nicht bloß Käufer von Staats- und Unternehmensanleihen gegen einen Zahlungsausfall des Emittenten geschützt. Solche Papiere wurden häufig auch zweckentfremdet und ohne jegliche staatliche Aufsicht für pure Spekulationsgeschäfte verwendet, indem Banken auf Swaps reine Wetten eingingen und eine wundersame Form der Risikoverschleierung in Gang setzten. Plötzlich dienten CDS nicht mehr der Absicherung von tatsächlich vorhandenen Anleihen, sondern primär der ungezügelten Profitgier.
Heute wird dieser obskure Markt infolge der Finanzkrise auf maximal nur noch 30 Billionen Dollar geschätzt - er ist also merklich geschrumpft. Viele Positionen wurden zurückgeführt oder wurden gegeneinander aufgerechnet. Die Schockerlebnisse aus jüngster Vergangenheit sind noch in bester Erinnerung: So etwa ist im September 2008 mit Lehman Brothers ein monströser CDS-Kontrahent ausgefallen. Auch die American International Group (AIG), einstmals der weltgrößte Versicherer, konnte - nachdem 450 Milliarden Dollar Ausfallschutz in Form von Kreditderivaten verkauft waren - plötzlich ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen und musste daraufhin vom Staat gerettet werden.
Wiener Kommunalkreditkämpfte auch mit CDS
Der Wiener Kommunalkredit sind Credit Default Swaps ebenfalls zum Verhängnis geworden: Über ihre zypriotische Tochter hatte sie in einer geradezu größenwahnsinnigen Anwandlung Marktteilnehmer gegen den Kreditausfall von Staaten, Banken oder staatsnahen und supranationalen Organisationen im Gesamtvolumen von 6,6 Milliarden Euro versichert. Als die jahrelang höchst lukrativen Derivate-Deals platzten, schlitterte die Kommunalkredit umgehend ins Debakel.
Die sogenannte Subprime-Krise, befürchten Experten, würde im Vergleich mit einem regelrechten Finanz-Erdbeben, das irgendwann von Credit Default Swaps ausgelöst werden könnte, relativ harmlos wirken. Selbst der aus Ungarn stammende US-Finanzguru George Soros, der in diesem Metier nicht gerade wie ein Waisenknabe zu agieren pflegt, hat daher seine Abscheu vor derartigen Instrumenten oftmals öffentlich kundgetan: "Man sollte den gesamten außerbörslichen Derivatehandel einfrieren."
CDS-Kontrakte werden als klassische OTC (over the counter)-Geschäfte, also außerbörslich, abgeschlossen. Die damit fehlende Transparenz auf diesem ebenso undurchsichtigen wie unberechenbaren Markt lässt etwaige Gefahren dieses weltweiten Spekulations-Karussells nur erahnen. Zwar ist es noch nicht besonders schlimm, wenn einzelne Player nicht zahlen können - dann müssen eben andere diese Beträge als Verlust buchen. Sobald jedoch viele Risiken gleichzeitig schlagend werden und es zu einer Kettenreaktion kommt, könnten die weltweiten Mega-Transaktionen zu einem veritablen Flächenbrand werden. Denn in diesem Fall reißt einer den anderen mit in den Abgrund.
In jüngster Zeit sind CDS praktisch bei jeder Krise im Spiel, weil Spekulanten stets den fetten Reibach suchen: Als das Emirat Dubai voriges Jahr in die Schuldenfalle tappte, schnellten die Kreditderivate gegen einen Ausfall von Anleihen des zur Staatsholding Dubai World gehörenden Hafenbetreibers DP World blitzartig auf den Höchststand von 700 Basispunkten empor.
Gerüchte über Athen treiben Zinsen hinauf
Seit Monaten wird auf den Finanzmärkten mit Hilfe von CDS auch auf einen Staatsbankrott Griechenlands gewettet. Der Wahnsinn an dieser Attacke besteht darin, dass man sogar Forderungsausfälle von Krediten absichern kann, die man gar nicht gegeben hat: Spekulative Investoren haben, ohne selbst griechische Anleihen zu besitzen, für relativ wenig Geld möglichst viele CDS gekauft, die sie gegen den Zahlungsausfall der Hellenen schützen sollen.
Anleger halten laut Schätzungen Kreditausfallversicherungen für griechische Anleihen im Wert von 85 Milliarden Dollar. Die Preise der massenhaft gekauften Swaps sind im Vorjahr rasant in die Höhe geschossen. Während die Absicherung deutscher Bundesanleihen im Wert von einer Million Euro rund 4400 Euro pro Jahr kostet, war es bei griechischen Anleihen Anfang Februar noch beinahe das Zehnfache.
Zugleich ist der Wert griechischer Staatsanleihen in den vergangenen Monaten wegen der großen Verunsicherung stark gesunken. Bei der Ausgabe neuer Papiere, die das Überleben garantieren sollen, muss Griechenland deutlich höhere Zinsen versprechen - was die internationalen Finanzgeier erneut freut. Somit stehen allen voran Hedgefonds und Großbanken im Verdacht, mit ihren Spekulationen gezielt die Ängste vor Athens Staatspleite zu schüren, um von den in die Welt gesetzten Gerüchten zu profitieren.
Wissen: Kreditderivate - CDS
Credit Default Swaps (CDS) sind Kreditderivate: Zwei Parteien schließen eine Vereinbarung, bei der die eine Seite - der Käufer - sich verpflichtet, regelmäßige Prämien (CDS Spread) an die andere - den Verkäufer - zu zahlen. Dafür erhält der Käufer Kreditschutz für den Fall, dass eine dritte Partei - auf Deutsch Referenzeinheit genannt - in Zahlungsverzug gerät oder gar bankrott geht. CDS, die einer Versicherungspolizze ähneln, werden also als Schutz bzw. Versicherung gegen Troubles mit Schuldnern genutzt, ohne dass man den Kredit oder die Anleihe selbst verkaufen muss.
Die Credit Spreads, die stets in Basispunkten ausgedrückt werden, helfen dem Anleger, die Bonität des jeweiligen Zertifikate-Emittenten richtig einzuschätzen: Ein geringer Wert - also eine niedrige Risikoprämie - spricht für die Kreditwürdigkeit, ein hoher deutet auf eine größere Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls hin. Obendrein sind die von den internationalen Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s oder Moody’s vergebenen Bonitätsnoten bei der Bewertung der Finanzprodukte zu beachten.
S & P stuft etwa die holländische Rabobank mit AAA ein, die französische BNP Paribas mit AA, JP Morgan mit A+ und die Bank of America, ebenso wie die Erste Group oder die RZB, mit A. Die beiden rot-weiß-roten Banken haben übrigens bei fünfjährigen CDS einen Wert zwischen 140 und 165 Basispunkte. Das bedeutet: Für die Versicherung von einer Million Euro Schulden sind jährlich 14.000 bzw. 16.500 Euro zu zahlen.
Während die Vermarktung von Krediten bis dato ein Geschäft zwischen einer Bank und ihrem Kunden war, geht es bei CDS gar nicht so selten sozusagen um das Ausstellen von Wettscheinen, die handelbar sind. Das Risiko des Kredits ist damit losgelöst vom Kreditgeber - und damit wird ein Grundgesetz des Kapitalmarkts aufgelöst.
Bei einem typischen CDS-Geschäft verkauft etwa ein Hedge Fonds einer Bank eine Absicherung, die dann von dieser an eine andere Bank weiterverkauft wird. Das setzt sich bisweilen mehrmals fort - wobei eine riesige Kette von Verträgen entsteht - und läuft manchmal auch im Kreis. Die Bewertung von Swaps ändert sich täglich - so wie Aktienkurse, nur steht hinter diesen eine Aktiengesellschaft, die etwas produziert oder Dienstleistungen erbringt.
Bei Swaps steckt indes lediglich ein Hasardspiel mit kalkuliertem Risiko dahinter.
Wissen: Kreditderivate - CDS
Credit Default Swaps (CDS) sind Kreditderivate: Zwei Parteien schließen eine Vereinbarung, bei der die eine Seite - der Käufer - sich verpflichtet, regelmäßige Prämien (CDS Spread) an die andere - den Verkäufer - zu zahlen. Dafür erhält der Käufer Kreditschutz für den Fall, dass eine dritte Partei - auf Deutsch Referenzeinheit genannt - in Zahlungsverzug gerät oder gar bankrott geht. CDS, die einer Versicherungspolizze ähneln, werden also als Schutz bzw. Versicherung gegen Troubles mit Schuldnern genutzt, ohne dass man den Kredit oder die Anleihe selbst verkaufen muss.
Die Credit Spreads, die stets in Basispunkten ausgedrückt werden, helfen dem Anleger, die Bonität des jeweiligen Zertifikate-Emittenten richtig einzuschätzen: Ein geringer Wert - also eine niedrige Risikoprämie - spricht für die Kreditwürdigkeit, ein hoher deutet auf eine größere Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls hin. Obendrein sind die von den internationalen Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s oder Moody’s vergebenen Bonitätsnoten bei der Bewertung der Finanzprodukte zu beachten.
S & P stuft etwa die holländische Rabobank mit AAA ein, die französische BNP Paribas mit AA, JP Morgan mit A+ und die Bank of America, ebenso wie die Erste Group oder die RZB, mit A. Die beiden rot-weiß-roten Banken haben übrigens bei fünfjährigen CDS einen Wert zwischen 140 und 165 Basispunkte. Das bedeutet: Für die Versicherung von einer Million Euro Schulden sind jährlich 14.000 bzw. 16.500 Euro zu zahlen.
Während die Vermarktung von Krediten bis dato ein Geschäft zwischen einer Bank und ihrem Kunden war, geht es bei CDS gar nicht so selten sozusagen um das Ausstellen von Wettscheinen, die handelbar sind. Das Risiko des Kredits ist damit losgelöst vom Kreditgeber - und damit wird ein Grundgesetz des Kapitalmarkts aufgelöst.
Bei einem typischen CDS-Geschäft verkauft etwa ein Hedge Fonds einer Bank eine Absicherung, die dann von dieser an eine andere Bank weiterverkauft wird. Das setzt sich bisweilen mehrmals fort - wobei eine riesige Kette von Verträgen entsteht - und läuft manchmal auch im Kreis. Die Bewertung von Swaps ändert sich täglich - so wie Aktienkurse, nur steht hinter diesen eine Aktiengesellschaft, die etwas produziert oder Dienstleistungen erbringt.
Bei Swaps steckt indes lediglich ein Hasardspiel mit kalkuliertem Risiko dahinter.