"Basel III": Neue Finanzierungsmodelle für Klein- und Mittelbetriebe sind gesucht.
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Brüssel/Wien. Auf schlanken 30 Seiten hatten anno 1988 die Eigenkapitalregeln für Banken (damals "Basel I") Platz. Ein knappes Vierteljahrhundert und heftige Finanzkrisen später ist das Regelwerk ("Basel III") auf 600 Seiten angeschwollen. Und das allein für das globale Grundgerüst, auf dem nationale Gesetze aufbauen.
Die Erwartungen in das komplexe Reformpaket sind hoch: Die strengeren Kapital- und Liquiditätsvorschriften für die Banken sollen der zentrale Baustein sein, der das Finanzsystem krisenfester macht. Größere Eigenkapitalpuffer und ein Abwicklungsmechanismus für Pleitebanken seien in der Tat die wichtigsten Punkte, sagt Josef Christl, Gründer von Macro-Consult und früherer Nationalbank-Direktor. Er bremst zu hochfliegende Hoffnungen: "Auch die aktuellen Regulierungsbemühungen können nur versuchen, die Wahrscheinlichkeit von Krisen zu verringern."
Mehr Sicherheit gebe es zudem nicht zum Nulltarif, sagte Christl bei einer Veranstaltung der Erste Bank vor Journalisten. Mit den Kapitalkosten für Banken werde die Zinsspanne steigen, was Kredite tendenziell teurer macht. Alternativ könnten Banken ihr Risiko zurückfahren, um weniger Kapital halten zu müssen. Dann sind aber weniger Kredite verfügbar. Beides belastet das Wirtschaftswachstum. Im Moment klemmt es nur deshalb noch nicht, weil die Erholung schwächelt und die Kreditnachfrage gering ist.
Start-Up statt Zinshaus?
Für Europa wäre eine Kreditklemme besonders schlimm, weil Bankkredite für 80 Prozent der Unternehmensfinanzierung zuständig sind. In den USA sind es nur 20 Prozent; dort sind die alternativen Finanzierungskanäle viel stärker entwickelt. Kommen jetzt auch in Europa amerikanische Verhältnisse? Bis 2020 könnte der Kreditanteil an der Unternehmensfinanzierung auf 50 bis 60 Prozent sinken, schätzt Christl. Schwierig wird es für kleine und mittlere Betriebe (KMU), die nicht den Kapitalmarkt mit Unternehmensanleihen anzapfen können: Die Fixkosten für öffentliche Platzierungen rentieren sich erst ab Größenordnungen über 30 Millionen Euro.
Zudem brauche es eine "Mischung aus Bekanntheit und Bonität", damit Anleihen bei Investoren punkten, sagt Erste-Bank-Vorstand Thomas Uher. Er erwartet Aufwind für neue Formen der Mittelstandsfinanzierung - seien es Mittelstandsbonds, wo mehrere Unternehmen Anleihen bündeln, neuartig besicherte Unternehmer-Pfandbriefe oder Gründer-Initiativen in Kooperation mit der öffentlichen Hand. Fondsgesellschaften seien aufgefordert, attraktive Private-Equity-Modelle zu entwickeln. "Es gibt viel Finanzvermögen, das in Wiener Zinshäuser fließt. Warum sollten Investoren Rendite nicht auch in der Unternehmensfinanzierung suchen?", fragt sich Uher.
In Anspielung auf den Streit zwischen Heini Staudinger ("Waldviertler") und der Finanzmarktaufsicht über Kredite von privaten Investoren waren sich Uher und Christl einig, dass das "Anpumpen der Nachbarn" nicht der Weisheit letzter Schluss sei: Die Streuung sei dabei viel zu gering und das Risiko für den einzelnen Investor zu groß.
"Zwei bis drei Stunden"
Othmar Karas, Chefverhandler und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, betont, dass die EU-Umsetzung von "Basel III" wichtige Erleichterungen für KMU und Unternehmensgründer (Start-Ups) bringt: Für solche Kredite werden die Risikogewichte und Kapitalanforderungen nicht erhöht - das bedeutet eine Reduktion um ein Drittel gegenüber der globalen Vorgabe. Dennoch sollte die KMU-Finanzierung verbreitert werden.
Die EU-Fassung von "Basel III" ist auf der Zielgeraden, sagt Karas: Länger als "zwei bis drei Stunden" sollten die Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat (den Mitgliedstaaten) über die offenen Fragen nicht dauern. Er rechne, dass das EU-Parlament im Februar 2013 abstimmen und einen Schlussstrich ziehen könne. In Kraft treten werden die Regeln erst ab Jänner 2014 - ein Jahr später als ursprünglich geplant. Der Stufenplan für die strengeren Kapitalerfordernisse verschiebe sich aber nicht nach hinten.