Westen befürchtet, dass Moskau Angriff fingieren könnte, um Vorwand für Einmarsch zu haben.
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Im Ukraine-Konflikt dreht sich die Eskalationsspirale weiter. US-Präsident Biden droht Moskau mit Konsequenzen im Fall eines Einmarsches. "Wenn sie das tun, dann werden sie einen hohen Preis zahlen. Unmittelbar, kurzfristig, mittelfristig und langfristig." Der Kreml reagierte und warnte, die Äußerungen könnten zu einer Destabilisierung der Lage führen. "Sie könnten den Hitzköpfen einiger Vertreter der ukrainischen Führung falsche Hoffnung einflößen, dass sie sich dazu entschließen, erneut einen Bürgerkrieg zu beginnen und das Problem im Südosten (Donbass, Anm.) mit Gewalt zu lösen", so Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Der US-Geheimdienst befürchtet seit geraumer Zeit, dass ein unter falscher (ukrainischer) Flagge durchgeführter Angriff auf die Separatistengebiete Moskau die Begründung dafür liefern könnte, die ganze Ukraine zu überrennen.
Zuvor hat Biden mit missverständlichen Äußerungen für Irritationen gesorgt. Er schien bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus anzudeuten, dass angedrohte Sanktionen der Nato vom Ausmaß eines potenziellen russischen Einmarschs abhängen könnten. "Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt", so Biden. "Aber wenn sie tatsächlich das tun, wozu sie mit den an der Grenze zusammengezogenen Streitkräften in der Lage sind, dann wird das für Russland eine Katastrophe werden."
Demonstrative Einigkeit
In der Ukraine liegen jetzt die Nerven blank. CNN zitierte einen ungenannten ukrainischen Regierungsvertreter mit den Worten, er sei "schockiert, dass US-Präsident Biden zwischen Eindringen und Einmarsch unterscheidet". Das gebe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "grünes Licht, nach Belieben in die Ukraine einzudringen".
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, war um Glättung der Wogen bemüht. "Präsident Biden hat sich gegenüber dem russischen Präsidenten klar geäußert: Wenn sich russische Streitkräfte über die ukrainische Grenze bewegen, ist das eine erneute Invasion, und darauf werden die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten schnell, hart und geschlossen reagieren", teilte Psaki mit. Ein Stopp der russischen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2, die durch die Ostsee direkt nach Deutschland führt, wird nicht ausgeschlossen.
Deutschlands neue Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland in Berlin bei einem Treffen mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken einmal mehr zur Deeskalation aufgefordert. Die USA, Deutschland und die westlichen Verbündeten stehen nach den Worten von US-Außenminister Blinken geschlossen gegen Aggressionen Russlands. Es liege an Russland, ob es den Weg der Eskalation oder den der Diplomatie einschlage, so Blinken an der Seite seiner deutschen Amtskollegin. Er und Baerbock berieten sich mit Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian und dem britischen Vize-Außenminister James Cleverly im Berliner Auswärtigen Amt.
Moskau kündigt Manöver an
Es scheint vorerst so, als würde Moskau schrittweise ausloten, wie weit man gegenüber einem vermeintlich geschwächten Westen gehen kann. Dem Kalkül folgend hat Russland am Donnerstag großangelegte Marinemanöver in Atlantik, Arktis, Pazifik und Mittelmeer angekündigt. An den für Jänner und Februar geplanten Übungen seien insgesamt mehr als 140 Schiffe, mehr als 60 Flugzeuge und etwa 1.000 Stück anderer militärischer Ausrüstung beteiligt, hieß es, es sollen etwa 10.000 Soldaten an dem Manöver teilnehmen.
Die Ukraine ist von russischen Militärkräften geradezu umzingelt (siehe Grafik) und wäre bei einer Invasion schwer zu verteidigen. Eine Auswertung von Satellitenbildern zeigt laut der "New York Times", dass sich die russischen Truppen nicht nur im Osten und auf der von Russland vor acht Jahren annektierten Halbinsel Krim befinden, sondern auch im Norden nahe der Dreiländergrenze mit Weißrussland.