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"Krieg gegen Iran wäre verheerend"

Von Toumaj Khakpour und Fabian Kretschmer

Politik

Flächenbrand in der ganzen Region wäre die Folge eines Angriffs.


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Wien.

Das iranische Atomprogramm, Pläne Israels für einen möglichen Angriff auf die iranischen Atomanlagen und der Ausgang der iranischen Parlamentswahlen, der den Machtkampf im konservativen Lager zwischen Präsident Mahmoud Ahmadinejad und dem Obersten Geistlichen Führer, Ayatollah Ali Khamenei, deutlich machte, werden in der nächsten Zukunft die Lage in einer hochexplosiven Region prägen. Der Nahostexperte Michael Lüders sprach in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" über die Auswirkungen.

"Wiener Zeitung":Wie ernst ist es mit Kriegsplänen?Michael Lüders: Ich glaube, die Amerikaner und die Israelis sind gerade dabei, sich in Washington darüber zu verständigen, wann und wie der Angriff durchgeführt wird - den Krieg wollen die Israelis haben.

Wie könnte ein Szenario eines bevorstehenden Krieges aussehen und wer würde ihn führen?

Israel könnte den Erstschlag ausführen und dann, nachdem Iran zurückschießt, werden die Amerikaner sich beteiligen. Das wird kein Spaziergang werden. Für die Kriegsbefürworter gilt die Argumentation, man könnte den Iran in zwei, drei Wochen bombardieren und dann würde sich die Demokratiebewegung gegen das Regime erheben, die dann sowohl Demokratie als auch atomare Sicherheit im Iran schafft. Aber das sind alles propagandistische Schönfärbereien. Das hat man auch als der Irak zusammengestürzt ist, sehr gut gesehen. Die Entwicklung lief dann in eine andere Richtung.

Würde dann eine Kettenreaktion entstehen?

Ein Krieg gegen den Iran würde einen Flächenbrand in der gesamten Region auslösen. Die Folgen werden verheerend sein. Der Iran weiß seit vielen Jahren, dass er mit einem Angriff rechnen muss, und dementsprechend ist er gewappnet. Sie werden zurückschießen und dann wird es sehr ungemütlich werden. Weiters ist der Iran eine andere Größenordnung, wie es etwa der Irak unter Saddam Hussein war, oder Syrien vor zwei Jahren, oder auch Afghanistan unter den Taliban.

© © Zentralbild

Welche Konsequenzen hätte ein Gegenschlag seitens des Iran für Israel und der Region?

Die Konsequenzen eines Angriffs auf den Iran wären sehr folgenhaft, etwa eine Explosion der Ölpreise. Die wirtschaftliche Lage würde sich weltweit massiv verschlechtern und der Iran würde auf jeden Fall militärisch reagieren. Die werden sich nicht einfach bombardieren lassen und dann die weiße Fahne hissen. Sie werden dafür Sorge tragen, dass sie zum Beispiel durch die Hisbollah im Südlibanon Tel Aviv angreifen; das würde sofortige Gegenmaßnahmen seitens Israels haben und Syrien würde sich dann mit in den Konflikt einmischen.

Wie würde der Iran angreifen? Mit der sogenannten Schwarmtaktik, durch Raketen, oder mit schweren militärischen Angriffen?

Das ist alles reine Spekulation. Auf jeden Fall haben die Iraner genügend Möglichkeiten, schwere Schäden anzurichten. Außerdem ist der Iran das einzige Land zwischen Libanon und Indien, das im Grunde genommen noch stabil ist im Nahen Osten. Wenn man den Iran angreift, wird man die Region auch zu einer Zone der Instabilität machen. Das ist ein Krieg, den Israel nicht freiwillig aufgeben wird. Und wir werden alle einen hohen Preis dafür zahlen müssen.

Welche Auswirkungen hat der Ausgang der Parlamentswahlen auf die verbleibende Amtszeit von Ahmadinejad?

Die Parlamentswahlen haben die Position von Ahmadinejad geschwächt. Viele seiner Anhänger sind nicht mehr ins Parlament gewählt worden - lediglich 30 von 290 Mandaten gehören den Anhängern von Ahmadinejad. Er hat eine schwere Niederlage erlitten.

Ali Larijanis Bündnis gilt als großer Gewinner dieser Wahlen, hat er auch Chancen auf das Präsidentenamt im kommenden Jahr?

Das ist denkbar, aber es ist noch zu früh, darüber ein Urteil zu fällen. Grundsätzlich ist die iranische Politik ein komplexes Netzwerk aus verschiedenen Machtzentren, die versuchen, sich je nach Ausrichtung, gegenseitig Macht zuzuteilen beziehungsweise umzuverteilen. Die Revolutionsgarden, die Ahmadinejad nahestehen, haben gegenüber dem Bündnis von Traditionell-Konservativen rund um den Parlamentspräsidenten Ali Larijani verloren. Diese wiederum zählen zu den Gruppierungen, die dem Klerus und dem obersten religiösen Führer nahestehen. In diesem Geflecht bleibt die Position des obersten Revolutionsführers weiterhin bestärkt.

Können sich Gruppierungen rund um die Reformbewegung auch Chancen ausrechnen?

Es bleibt abzuwarten, wie die Präsidentschaftswahlen sich im nächsten Jahr gestalten werden, wer als Kandidat aufgestellt wird und wer nicht. Darüber hat ja der Wächterrat zu bestimmen und der hat in der Vergangenheit alle Reformer ausgeschlossen. Die sogenannte grüne Revolte ist jedenfalls erst einmal politisch ohne Bedeutung. Ihre Führer sind überwiegend im Gefängnis und unter Hausarrest - sie spielen derzeit in der Politik Irans keine Rolle.

In Zukunft könnte der iranische Präsidenten nicht mehr direkt durch die Wähler, sondern durch das Parlament ins Amt gewählt werden - wie realistisch ist diese Annahme?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Die Frage wird beantwortet werden, je nachdem, wer sich am Ende in den iranischen Machtkämpfen durchsetzt. Die verschiedenen Seilschaften und Interessengruppen der iranischen Politik müssen letztendlich miteinander eine Balance finden. Das wird sich dann auch auf die Personalpolitik auswirken. Dann gilt es abzuwägen, ob der eine oder andere Posten abzuschaffen oder aufzuwerten ist und ob es nur Drohungen sind.

Syriens Assad ist stark unter Druck. Welche Auswirkungen hat dies auf Teheran als engen Verbündeten?

Das hat im Augenblick keine Auswirkungen, weil Syrien sozusagen erst mal mit seinen eigenen Problemen zu tun hat. Syrien ist der engste Verbündete des Irans, aber beide sind zurzeit auf die eigene innenpolitische Lage fokussiert. Der Iran hat darüber hinaus sicherlich dazu beigetragen, die Aufstandsbewegung in Syrien niederzuschlagen, sei es durch beratende Tätigkeiten etwa im Bereich der Überwachung und Telekommunikation oder durch die Bereitstellung von Technologie und Waffen zur Niederschlagung der Proteste. Wenn die Regierung in Damaskus stürzen würde, dann würde Iran seinen einzigen richtigen Verbündeten in der arabischen Welt verlieren.

Zur Person: Michael Lüders

Der in Bremen geborene Michael Lüders studierte arabische Literatur in Damaskus, promovierte über das ägyptische Kino und war jahrelanger Nahostkorrespondent der "Zeit". Momentan lebt er als Publizist und Wirtschaftsberater in Berlin. Zuletzt erschien sein Buch "Tage des Zorns", welches sich mit dem Arabischen Frühling auseinandersetzt.