Jüngste Ereignisse zeigen: Geopolitik bleibt in Österreich ein Programm für Minderheiten.
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Corona, Chats und Ibiza: Darum drehte sich Österreich zuletzt. Permanent mit sich selbst beschäftigt, lässt die Politik keinen Platz für geo- und sicherheitspolitische Debatten, die hierzulande ohnehin ein Minderheitenprogramm darstellen.
Dabei macht die Kriegsgefahr an der ukrainisch-russischen Grenze deutlich: Es ist in Europa halt doch nicht alles friedlich und harmonisch, kein neues goldenes Zeitalter der Sicherheit rauscht heran.
Stattdessen schwelt in der Ukraine ein Konflikt, der bei einer Eskalation unabsehbare Folgen haben wird. Und auch am Westbalkan braut sich nach Jahren des Stillstands etwas zusammen. Bosnien-Herzegowina droht der Zerfall, Nationalisten blühen auf, arabische Staaten, China, Russland und die Türkei machen sich breit. Das alles ist Gift für eine Region, die sich nie wirklich konsolidiert hat.
Aber worüber grübelt Österreich derzeit, was hält die Politik in Bann? Die Impfpflicht! Sie scheint derzeit alle politischen Ressourcen zu verschlingen, völlig gelähmt wirkt das Land durch das ständige Impfpflichtgrübeln.
Die Selbstbeschäftigung und das Fehlen ernsthafter sicherheitspolitischer Debatten fügen sich aber nahtlos in die Ereignisse der vergangenen Jahre. Da wurden im polizeilichen Inlandsnachrichtendienst BVT Posten von der ÖVP nach Parteibuch besetzt. Danach wurde die Behörde in einer Nacht-und-Nebel-Razzia vom FPÖ-geführten Innenministerium mithilfe ahnungsloser Justizbeamter lahmgelegt. Ein Nachrichtendienst, der von der eigenen Polizei durchsucht wird? Das gibt es nur in Österreich.
Ähnlich trüb schaut es beim Militär aus. Die Beschaffung von Abfangjägern wird zu einem jahrzehntelangen Skandal. Aber das ist wohl kein Wunder in einem Land, in dem Zivildiener und Bauernbündler schnell einmal Verteidigungsminister werden, Militärexperten eher nicht. Einer der wenigen Lichtblicke war da Generalmajor Thomas Starlinger, der mit einem Zustandsbericht auf das finanziell vor sich hin darbende Bundesheer hinwies und Lösungsvorschläge machte.
Aber wie so oft fängt der Fisch vom Kopf zu stinken an. Welcher der vergangenen Bundeskanzler, der zumindest ein Jahr im Amt war, ließ denn ein großes Interesse an Geopolitik und militärischen Angelegenheiten erkennen? Werner Faymann, Christian Kern, Sebastian Kurz? Unangenehme Fragen wurden weggeschoben, in der Hoffnung, im Windschatten der Sicherheitspolitik anderer Staaten mitfahren zu können. Dadurch hat man dann aber dafür Zeit, sich monatelang über ein Impfpflichtgesetz den Kopf zu zerbrechen.