Zum Hauptinhalt springen

Krieg spaltet auch EU-Parlament

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Brüssel/Wien - Fast täglich erfolgen Vorstöße zugunsten einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), ebenso oft zeigt die EU aber ihre Zerrissenheit in eben diesen Fragen. So konnte sich das Europäische Parlament am Donnerstag nicht zu einer Erklärung durchringen, die "Bedauern" über den einseitigen Militärschlag der USA und Großbritanniens gegen den Irak zum Ausdruck bringen wollte.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ein entsprechender Entschließungsantrag der Sozialisten, Liberalen und Grünen, selbst schon ein Kompromiss, wurde in der EU-Volksvertretung mit 255 gegen 218 Stimmen bei 46 Enthaltungen abgelehnt. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), die stärkste Gruppe im Parlament, hatte einen noch zurückhaltenderen Resolutionsentwurf vorgeschlagen, der gleichfalls keine Mehrheit fand. Noch am 30. Jänner hatte sich das Europaparlament gegen "jede einseitige Militäraktion gegen Irak" gewandt. Mittlerweile stellte sich aber ein Großteil der Briten und Spanier, aber auch ein Teil der CDU/CSU-Abgeordneten, auf die Seite der anglo-amerikanischen Allianz. In ihrer Ablehnung des Krieges sind die französischen Fraktionen hingegen weitgehend geschlossen.

Enttäuschung bei Österreich

Österreichische EU-Parlamentarier haben sich enttäuscht über das Abstimmungsverhalten gezeigt. ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel bedauerte, dass keine einheitliche Meinung formuliert werden konnte: "Damit ist das Parlament sogar hinter das Ergebnis des EU-Gipfels von Brüssel zurückgefallen". SPÖ-Delegationsleiter Hannes Swoboda kritisierte, das EP sei "in der Irak-Frage sprachlos".

Auf der Strecke geblieben wären damit laut Stenzel an sich vernünftige Vorschläge zu einer Stärkung der gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik sowie einer Verankerung der Rolle des UN-Sicherheitsrates als der federführenden Institution für eine Nachkriegsordnung im Irak.

Plädoyers für GASP

Ungeachtet der europäischen Zerissenheit äußerte sich Kommissionspräsident Romano Prodi vor dem Parlament positiv über die deutsch-französisch-belgische Initiative zur Entwicklung einer gemeinsamen EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Auch Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner plädierte für einen EU-Außenminister.

Ähnlich argumentiert EU-Kommissar Michel Barnier, zuständig für die Reformen der Institutionen und gleichzeitg EU-Konventsmitglied: Schwere Krisen wie die um den Irak ließen sich vermeiden, wenn die EU über eine "gemeinsame diplomatische Kultur und gemeinsame geopolitische Analysen" verfügen würde. Er schlägt ein Außenministerium vor, in dem unter Führung einer Einzelperson Vertreter aus dem Ministerrat, der Kommission und einzelnen Mitgliedsstaaten eine solche gemeinsame Diplomatie aufbauen. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik könne nur schrittweise etabliert werden, so der Kommissar, eine Etappe dazu könnten die Vorschläge von Deutschland und Frankreich bilden.

Weitere Stellungnahmen aus dem Konvent kamen am Donnerstag von den österreichischen Mitgliedern: SPÖ-Vertreter Caspar Einem plädierte für eine gemeinsame Selbstverteidigung anstatt der von der Regierung forcierten Beistandspflicht. Erstere sei "wesentlicher kostengünstiger" als ein Nebeneinander von 15 oder 25 nationalen Armeen. Einem trat gleichzeitig für die Schaffung einer gemeinsamen Agentur für Rüstungsbeschaffung ein.

Auch der ÖVP-Vertreter im Konvent, Hannes Farnleitner, unterstützte Maßnahmen für die gemeinsame Verteidigungspolitik. Allerdings berge das GASP-Kapitel durch das Solidaritätsgebot auch Sprengstoff für Österreich: "Österreich müsste den Tschechen helfen, wenn sie angegriffen werden. Das ist das Ende der Neutralität", so Farnleitner.

Auch mit der Aufnahme der zehn neuen Mitgliedsländer verspricht die Frage der gemeinsamen Außenpolitik spannend zu bleiben. Während die Ministerpräsidenten Ungarns und Dänemarks, Peter Medgyessy und Anders Fogh Rasmussen, sich bei einem Treffen in Budapest einig waren, dass die Europäische Union eine starke Außen- und Sicherheitspolitik braucht, ist die Bevölkerung eines weiteren Beitrittskandidaten mehrheitlich anderer Meinung: In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstitut CBOS sprachen sich 61 Prozent der befragten Polen für eine eigenständige Außenpolitik der EU-Mitgliedsstaaten aus. Lediglich etwas mehr als ein Drittel, nämlich 36 Prozent, hielten die Erarbeitung einer gemeinsamen Außenpolitik der EU für wünschenswert.