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Kriegsfotograf und Gentleman

Von Sabine Ertl

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"Sind deine Bilder nicht gut genug, warst du nicht nah genug dran", meinte einst Robert Capa, der mit Fotos vom Spanischen Bürgerkrieg berühmt wurde. Dass es auch in der Gegenwart jemanden gibt, der an diese Tradition anknüpft, zeigte die im ORF ausgestrahlte, preisgekrönte Dokumentation "War Photographer" über den Kriegsfotografen James Nachtwey. An das Phänomen Nachtwey wagte sich der Schweizer Filmemacher Christan Frei. Zwei Jahre lang begleitete er ihn nach Indonesien, Palästina, Südafrika und in den Kosovo.

Nachtwey, mit der seltenen Gabe ausgestattet, stets ganz nahe am Geschehen zu sein, arbeitet mit der Präzision eines Kriegschirurgen. Dass ein derart intensiv gelebter Fotojournalismus immer etwas zum Guten hin bewirken kann, daran glaubt er noch immer und das nach über 20 Jahren Arbeit. Dabei ist Nachtwey an den Schauplätzen des Grauens eine Ausnahmeerscheinung: Er ist ein schöner Mann, ein Ästhet, der vor Ort stets gepflegt, im weißen Hemd und Jeans, auf der Suche nach dem einen richtigen Augenblick ist. Seine Art ist ruhig und bedacht. Fotos, die über einem Schwellenwert des Erträglichen liegen, wird man bei ihm nicht finden. Sein Blick gilt dem Menschlichen. Damit unterscheidet er sich von der gängigen Flut an seichten Fotos, die weder sensibilisieren noch emotionalisieren. Auch ist er einer der letzten Veteranen, der sich für eine Gratwanderung zwischen Überleben und Job entschieden hat. Ihn wird man auch dann an Kriegsschauplätzen finden, wenn die Geschichte keinen Nachrichtenwert mehr besitzt, lautet doch sein Credo: "Hinschauen, wenn keiner mehr hinschauen will."