Geringe Resonanz auf Obamas Pläne. | Suche nach mehr Nato-Soldaten. | Den Haag/Washington/Wien. Bei der Afghanistan-Konferenz Ende Jänner waren sich noch alle einig: Der Konflikt am Hindukusch soll "afghanisiert" werden, zu diesem Zweck sollen aber zunächst mehr internationale Truppen in das Land geschickt werden. US-Präsident Barack Obama wollte dazu von den Nato-Verbündeten rund 10.000 zusätzliche Soldaten. | Häufig werden afghanische Zivilisten bombardiert - zuletzt starben 27 | Wilders freut sich über Turbulenzen
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So willkommen der Plan in der Theorie war, so sehr spießt es sich in der Praxis. Die Zusagen zur Truppenverstärkung traf nur zögernd oder gar nicht ein. Und jetzt ist in den Niederlanden sogar die Regierung an der Frage zerbrochen, ob man den Afghanistan-Einsatz bis ins Jahr 2011 verlängern soll.
Es ist der vorläufige Höhepunkt eines weit verbreiteten Phänomens: Die Europäer werden ihres Engagements in dem weit entfernten Land zunehmend müde. Die Bevölkerung setzt ihre Regierungen unter Druck. Die niederländischen Sozialdemokraten, die sich geweigert hatten, das für den heurigen August geplante Abzugsdatum um ein Jahr zu verschieben, stehen denn auch in den Umfragen nun besser da als zuvor. Die Kommunalwahlen am 3. März werden erste Aufschlüsse darüber bringen, wie sehr sie von ihrer Haltung profitieren konnten.
Für die Niederländer spielt wohl die Zahl ihrer Toten die größte Rolle. 21 Soldaten haben sie verloren, seit sie 2006 die Führungsrolle in der Provinz Urusgan übernommen haben - in jener Provinz, in der nun dutzende Zivilisten durch die Isaf getötet wurden (siehe Artikel unten) . Obwohl sie nur ein relativ kleines Kontingent von knapp 2000 Soldaten unterhalten, wird ihre Rolle als bedeutend gewürdigt.
Australien und Kanada fürchten Nato-Druck
Vor allem die Australier, die sich bisher die Militärbasis mit den Niederländern teilen, sehen durch deren Abzug Schwierigkeiten auf sich zu kommen. Sie wollen allerdings nicht mehr als die bisher stationierten Soldaten entsenden, und auch die Führungsrolle in der Provinz wollen sie nicht übernehmen. Der Druck der Nato auf die australische Regierung wird aber erheblich zunehmen, glauben Experten. Kanada fürchtet Ähnliches. Denn hier wurde der Abzug der 2800 Mann starken Truppe für das Jahr 2011 festgesetzt.
In anderen Ländern stören die Bevölkerung nicht nur die eigenen Verluste, sondern auch die wachsende Zahl der zivilen Opfer. In Deutschland etwa hat ein Luftangriff bei Kunduz im vergangenen September, den ein deutscher Offizier angeordnet hatte, für heftige Diskussionen gesorgt. Von den rund 140 Toten waren die meisten Zivilisten.
Dem sich daraus ergebenden rechtlichen Dilemma, wie der Afghanistan-Einsatz zu qualifizieren sei, hat Außenminister Guido Westerwelle einen vorläufigen Endpunkt gesetzt: Er definierte ihn als "bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts" und nicht mehr als Stabilisierungseinsatz. Damit können "Kollateralschäden", zum Beispiel der Tod Unbeteiligter, gerechtfertigt werden. Die Bevölkerung dürfte das aber anders sehen: Ihre Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz ist seit dem Kunduz-Vorfall drastisch gesunken, besagen Umfragen.
Trotzdem gehört Deutschland zu den wenigen Nationen, die sich punkto Truppenaufstockung schon festgelegt haben. Bis zu 850 Mann sollen das Kontingent im Norden des Landes verstärken, und auch die oppositionelle SPD-Fraktion will diesem neuen Afghanistan-Mandat zustimmen, wie der Parteivorstand am Montag bekannt gab.
Frankreich hingegen will nur Polizeiausbilder an den Hindukusch schicken. Andere Staaten haben noch keine definitiven Zahlen genannt, dies soll in dieser Woche bei einer Nato-Konferenz erfolgen. Dann wird sich zeigen, ob die bisher getroffenen Zusagen für 7000 neue Soldaten auch wirklich halten.