Präsident Atambajew bekenntsich bei Fischer-Besuch zum Pluralismus.
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Bischkek. Beide Staaten sind arme Ex-Sowjetrepubliken, beide liegen in Zentralasien, und in beiden Ländern hat die österreichische Delegation unter der Führung von Bundespräsident Heinz Fischer ein ganz ähnliches Programm: nämlich die noch recht schüchternen Handelsbeziehungen zu Tadschikistan und Kirgistan, die sich pro Jahr derzeit im Bereich von zehn Millionen Euro bewegen, deutlich nach oben zu schrauben. Dass zwischen den beiden Nachbarstaaten aber nicht nur die strahlend weißen, 7000 Meter hohen Gipfel des Pamir-Gebirges, sondern auch sonst Welten liegen, wurde der Delegation um den Bundespräsidenten in Kirgistan bald klar - obwohl die militärisch zackige Begrüßung der Tellermützen im Sowjet-Stil tragenden Soldaten in Bischkek am Donnerstag der in Duschanbe ähnelte. Sogar die dabei intonierte Melodie stammte aus Moskau.
Ansonsten aber überwogen deutlich die Unterschiede zur doch recht bizarren Selbstinszenierung des tadschikischen Präsidenten Emomali Rachmon. Während der autokratisch regierende Tadschike sich Prunkpaläste bauen ließ - die tadschikisch-österreichischen Handelsabkommen wurden etwa in einem fantastisch anmutenden Spiegelsaal unterzeichnet -, legt das kirgisische Staatsoberhaupt Askar Atambajew Wert auf Bescheidenheit. Seine Residenz hat normale Ausmaße, seine entspannten Sicherheitsleute - darunter viele Frauen - geben sich freundlich. Vor allem aber: Atambajew nimmt auffallend oft das Wort "Demokratie" in den Mund. Ein in Zentralasien unüblicher Vorgang: Sämtliche Länder in der Region, auch das wirtschaftlich weit erfolgreichere Kasachstan, werden straff autoritär geführt. Nicht so Kirgistan, das bereits zwei Revolutionen hinter sich hat. Hier gibt man sich entschlossen, eine parlamentarische Demokratie aufzubauen. Atambajews Vorgängerin Rosa Otunbajewa hat die präsidialen Befugnisse zugunsten des Parlaments deutlich eingeschränkt.
"Wir hatten letztes Jahr zwei Demonstrationen pro Tag", sagte Atambajew bei der Pressekonferenz mit Fischer. "Ladenbesitzer hatten neulich zwar Angst, dass etwas passiert, aber Demonstrationen müssen in einer Demokratie möglich sein", meinte der Präsident. Fischer, der bereits mit Otunbajewa gute Kontakte geknüpft hatte, begrüßte das Bekenntnis Atambajews zu Demokratie und Pluralismus ausdrücklich - und nahm auch auf kirgisische Rückschläge Bezug, indem er betonte, dass auch Österreichs Weg in die Demokratie ein steiniger war. In Kirgistan hatte 2010, kurz nach dem Sturz von Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew, ein Pogrom an Usbeken stattgefunden. Usbekische Behausungen wurden angezündet, zahlreiche Menschen ermordet und vertrieben. Die damals aufgerissenen Wunden belasten das Land noch heute: Die Usbeken werden nur noch geduldet, nehmen am öffentlichen Leben in Kirgistan aber faktisch nicht mehr teil. Beobachter erzählen, dass beispielsweise die Zahl usbekischer Medien seit den Ausschreitungen in Osch und Jalalabad deutlich abnimmt. Die Demokratie am Pamir bleibt ein fragiles Experiment.