Die Situation in der Leopoldstadt eskaliert, der Bezirksvorsteher sucht mit allen beteiligten Partnern nach Lösungen.
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Wien. Es ist viel los an diesem Nachmittag in der U1. Der Knotenpunkt Praterstern ist für die 25-jährige Türkin Derya G. immer mit einem mulmigen Gefühl verbunden. Sie hat hier schon viel erlebt. Belästigungen, Beschimpfungen und Obdachlose, die sie um Geld anbetteln. Sie steigt aus der Garnitur, und will zur U2 umsteigen. Sechs Männer aus Indien und Pakistan folgen ihr und pöbeln sie an. Derya senkt ihren Kopf, geht schnell weiter und versucht die Männer zu ignorieren. Als sie ihr den Weg versperren, greifen zwei andere Frauen, die die Situation beobachtet haben, ein, hängen ihren Arm um Darya und bringen sie zur U2. "Es reicht", ruft eine der beiden Frauen den Männern nach. "Das ist der Grund, warum wir Migranten büßen müssen. Ihr seid Abschaum und tragt dazu bei, dass sich die Stimmung in diesem Land hochemotionalisiert." Dann wendet sich Darya um und erklärt den Zeugen dieser Szene mit leiser Stimme: "Wissen Sie, es macht mich zutiefst traurig. Diese Menschen sind der Grund dafür, dass ich als Ausländerin in denselben Topf geworfen und vorverurteilt werde. Da nützt mein Integrationswillen nichts."
Vergewaltigungen und Drogenszene
Vorfälle wie dieser sind am Bahnhof Praterstern kein Einzelfall. Seit Monaten ist der Knotenpunkt zu einem Verbrechenszentrum in Wien geworden. Erst in der Nacht auf Freitag wurde eine 21-jährige Studentin in der Toilette von drei Männern vergewaltigt und verletzt. Die drei jungen Burschen im Alter von 16 und 17 Jahren drangen in die Damentoilette am Bahnhof ein, drückten die Frau zu Boden, dann gegen die Klobrille und missbrauchten sie. Passanten verständigten daraufhin die Polizei. Die mutmaßlichen Täter, drei afghanische Asylwerber, flüchteten zunächst, könnten aber dann wenig später festgenommen werden und sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft. Neben Delikten wie diesen wird man auch mit einer lebhaften Drogenszene konfrontiert. Den Behörden und der Polizei gelingt es seit Monaten nicht, die Situation in den Griff zu bekommen.
Der Leopoldstädter Bezirkschef Karlheinz Hora ist sich der prekären Lage am Praterstern bewusst, will aber von einem Versagen nichts wissen. Er arbeite hart dafür, dass sich die Lage bessere, so die Replik. Für heute, Donnerstag, hat er eine Krisensitzung aller beteiligten Partner einberufen. Neben dem Bezirk und der Polizei sind die ÖBB, die Wiener Linien, SAM (siehe Kasten) und das Magistrat dabei. "Mir ist wichtig, dass wir Sofortmaßnahmen setzen, um Angsträume zu verhindern. Daher habe ich bei dieser Sitzung auch nur entscheidungsbefugte Vertreter der Partner eingeladen, um sofort reagieren zu können", erklärt Hora im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Bahnhof Praterstern dürfe kein Schandfleck der Leopoldstadt werden, denn in seinem Bezirk würden immerhin 143 Nationalitäten ohne ernsthafte Probleme zusammenleben.
"Mit mehr Kontrollen und einem Maßnahmenpaket soll das Sicherheitsgefühl gesteigert werden. Wir werden alles daran setzen, dass sich Vorfälle wie jene schreckliche Vergewaltigung nicht wiederholen", ergänzt der Bezirksvorsteher. Garantien könne er aber keine abgeben. Auf die Frage, was nun konkret passieren wird, meint er, dass etwa das Wegschaffen der nicht mehr benötigten Telefonzellen, die eine Gefahrenzone darstellen oder aber die Bewirtschaftung des ÖBB-WCs und die Durchforstung des Areals, um es noch sinnvoller zu gestalten, die Kernpunkte des Pakets seien. Darüber hinaus will man den Umstiegsbereich zwischen den beiden U-Bahnlinien stärker kontrollieren und von Menschenansammlungen frei halten. "Hier hat niemand herumzulungern und schon gar nicht die Leute zu belästigen", sagt Hora.
Täglich sind 100 Polizisten am Praterstern im Einsatz
An die Bevölkerung appelliert er, "jegliche Verdachtsmomente zu melden, damit man schnell reagieren könne." Denn Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien essenziell. In dieselbe Kerbe schlägt Polizeisprecher Roman Hahslinger. Auffälligkeiten sollten schnell weitergegeben werden. "Wir haben täglich 100 Beamte dort und das derartig hohe Aufgebot hat auch dazu geführt, dass die Täter nach der Vergewaltigung sofort festgenommen werden konnten", sagt der Sprecher. Das Kontingent an Beamten wurde nach dem Vorfall zwar nicht erhöht, aber "business als usal" werde es sicher auch nicht geben, meint Hahslinger mit Verweis auf die Krisensitzung. "Man muss sich überlegen, welche Maßnahmen notwendig sind, damit die Sicherheit der Anrainer und der Fahrgäste am Bahnhofsgelände gewährleistet ist", erklärt er. Ob die neuen Maßnahmen helfen können, das Problem von der Wurzel her in den Griff zu bekommen, wird sich weisen.
Laut Kriminalstatistik wurden im Vorjahr 948 nichtösterreichischen Tatverdächtigen strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zur Last gelegt. Ein Jahr davor waren es 885 Delikte. Die Zahl der Straftaten durch Asylwerber stieg von 2014 auf 2015 um 38,8 Prozent. Bei einer Gegenüberstellung mit der gestiegenen Anzahl der Asylsuchenden ist die Zahl der tatverdächtigen Asylwerber aber stark rückläufig.
Das Tageszentrum "Das Stern" in der Darwingasse 29 unweit vom Bahnhof Praterstern in der Leopoldstadt ist das neue Beratungszentrum für Wohnungslose am und rund um den Praterstern. Es bietet tagsüber auf 200 Quadratmetern eine Aufenthaltsmöglichkeit für 50 wohnungslose Personen. Die betroffenen Personen werden beraten und betreut, bekommen Kaffee und Tee, haben die Möglichkeit selbst zu kochen und ihre Wäsche zu waschen. "Das Stern" wird von Fachleuten der Wohnungslosenhilfe des Wiener Roten Kreuzes betreut und vom Fonds Soziales Wien unterstützt. Es ist an 365 Tagen im Jahr, jeweils von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Zielgruppe sind:
akut wohnungslose, volljährige Menschen
Personen die den naheliegenden Praterstern als Verweilort nutzen, auch (wieder) wohnversorgte Menschen und Personen ohne Ansprüche auf Leistungen
Personen, die wohnversorgt sind und individueller Begleitung im Alltag bedürfen.
Peers: Personen, die bereits wohnungslos waren und andere wohnungslose Menschen unterstützen wollen, den Weg aus der Wohnungslosigkeit zu schaffen
www.roteskreuz.at/wien/katastrophenhilfe/wohnungslosenhilfe/das-stern/
Die Mitarbeiter von SAM sind Ansprechpartner für alle Personen im öffentlichen Raum und an ihrer roten Dienstkleidung erkennbar. Ihre Ziele sind:
Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls der NutzerInnen im öffentlichen Raum
Verbesserung der gegenseitigen Akzeptanz, des Respekts und des Verständnisses von unterschiedlichen NutzerInnengruppen und deren Lebenslagen
Ein sozial verträgliches "Nebeneinander" aller NutzerInnengruppen im öffentlichen Raum
Förderung der Selbstverantwortung
Schadensminimierung auf sozialer, psychischer und physischer Ebene
Sicherung des Überlebens
www.suchthilfe.wien/mobile-soziale-arbeit/sam/
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