In Steyr hängt Arbeit stark von der Fahrzeugindustrie ab. Das zeigt neben MAN auch die Landesausstellung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Man merkt die Unsicherheit bei den Beschäftigten", sagt Markus Vogl (50), der am 26. September als Favorit bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahl für die SPÖ das Amt des Stadtchefs in Steyr verteidigen soll. Gut eine Woche vor der Kommunalwahl dreht sich in der knapp 41.000 Einwohner zählenden Stadt noch immer fast alles um die Zukunft der Belegschaft des bisherigen MAN-Werks. Es wurde im Juni von Investor Siegfried Wolf übernommen und steuert nun als Steyr Automotiv in eine noch ungewisse Zukunft.
Von der rund 1.900 Mitarbeiter zählenden Stammbelegschaft sollen vermutlich 500 gehen. Wenn es nach der Produktionsgewerkschaft (Pro Ge) und Vogl geht, haben die bisherigen MAN-Mitarbeiter bei den Gesprächen mit der neuen Personalabteilung einen Vorteil. Weil der neue Eigentümer Wolf das Werk gemäß Verkaufsvereinbarung "mit allen Rechten und Pflichten" übernommen habe, empfiehlt die Gewerkschaft den Arbeitnehmern, die bei Steyr Automotiv arbeiten wollen, ein neues Beschäftigungsverhältnis mit Einkommenseinbußen bis zu 15 Prozent nicht einzugehen. Wird deswegen jemand gekündigt, so will die Gewerkschaft rechtliche Schritte setzen.
Stadt im Auf und Ab
Der Kampf gegen die drohende Schließung des Werks in Steyr überschattet seit Monaten nicht nur den Wahlkampf in der SPÖ-Hochburg, sondern auch die gleichzeitig stattfindende Landtagswahl. Im Vorjahr ist die SPÖ mit Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner und der SPÖ-Spitzenkandidatin auf Landesebene, Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer, Seite an Seite mit MAN-Belegschaftsvertretern in Steyr als Zeichen des Protests aufmarschiert. Die Roten kritisierten, dass Türkis-Grün mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) öffentlich sichtbar keinen Finger für den Erhalt des Werkes gerührt habe.
Arbeitskampf, Arbeitslosigkeit, das Auf und Ab zwischen Krise und Boom: Die Bevölkerung von Steyr und Umgebung kennt das seit mehr als hundert Jahren nur zu gut. Das wird noch bis Anfang November auch bei der oberösterreichischen Landesausstellung in Steyr demonstriert. An drei Ausstellungsorten geht es um "Arbeit. Wohlstand. Macht", darunter im Museum Arbeitswelt im Wehrgraben, wo vor mehr als hundert Jahren eine Waffenfabrik Arbeit geboten hat. Exemplarisch und drastisch zeigte sich dort in den 1920er Jahren die Wirtschaftskrise mit Not und Elend für Familien mit hungernden Kindern, sodass so mancher sein Heil in der Auswanderung suchte.
Die Hochschaubahn in Sachen Beschäftigung war in Steyr meist stark ausgeprägt, so SPÖ-Bürgermeisterkandidat Vogl: "Wenn’s brummt, dann brummt‘s, wenn Krise, dann ordentliche Krise."
Rund um den Ausstellungsort werden die Gegensätze deutlich. Malerisch liegt das einstige Fabriksgelände an der grünlich gurgelnden Steyr im Wehrgraben, bevor sie ein wenig weiter mit der Enns zusammenfließt. Keine hundert Meter daneben ragt das moderne Gebäude der Fachhochschule Steyr auf.
Über einen Steg erreichbar, thront Schloss Lamberg als weiterer Ausstellungsort und Symbol der Macht über der Altstadt mit dem Bummerlhaus als Wahrzeichen und dem Rathaus, in dem die Sozialdemokraten seit Jahrzehnten regieren. Inzwischen ist die Industriestadt bemüht, sich breiter aufzustellen. Ein EDV-Unternehmer ist, was die Kommunalsteuer betrifft, der viertgrößte Arbeitgeber in Steyr. Auch in der Fahrzeugproduktion wird für die neue Zeit, in der Klimaneutralität angesagt ist, umgerüstet - im bisherigen MAN-Werk, wo Wolf ebenfalls auf die Elektrosparte setzt.
Glanzstücke der Industrie
Wandel, das war in der Vergangenheit öfter nötig, wenn in Steyr die Krise Station gemacht hat. In der Landesausstellung wird in die 1980er-Jahre zurückgeblendet, als auf Bundeskanzler und SPÖ-Chef Franz Vranitzky und seine rot-schwarze Regierung wütende Proteste der Arbeiter in den Steyrer Werken niedergeprasselt sind.
Breiten Raum nehmen auch die Glanzstücke der industriellen Arbeit ein: vom Steyrer "Waffenrad" über Lastautos bis hin zu den Steyrer Traktoren, die über Jahrzehnte nicht nur der Stolz der Erzeuger, sondern auch von Generationen von Bauern waren. Der wachsende Wohlstand der Arbeiter Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre wird mit den Wohnungsausstattungen gezeigt, die nichts mehr mit der Kargheit und Not der Zwischenkriegszeit zu tun hat. Auch eine Jukebox, die bei Knopfdruck Elvis Presley spielt, dient zur Illustration.
Hauptthema im Wahlkampf
Arbeit bestimmt nicht nur das Schicksal der Bevölkerung, sie ist im Schatten des Wirtschaftseinbruchs durch die Corona-Krise im Landtagswahlkampf auch eines der Hauptthemen. Für die SPÖ und Spitzenkandidatin Gerstorfer, die als frühere AMS-Landesgeschäftsführerin Kennerin der Probleme ist, geht es um eine zielgerichtetere und mit öffentlichen Mitteln unterstützte Ausbildung in Mangelberufen, speziell im Pflegebereich. Die SPÖ wirft Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) vor, dass seine Partei zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit mache. Stelzer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner betonen, dass Oberösterreich "besser durch die Krise gekommen" sei als andere Bundesländer.
Um im Wettbewerb der Regionen zu bestehen, soll es keine Einsparungen bei der Standortpolitik geben. Diese Woche hat die ÖVP, flankiert von wissenschaftlicher Unterstützung der Linzer Kepler Universität, auf den "Oberösterreich-Plan" verwiesen, für den 1,2 Milliarden Euro lockergemacht werden. Die SPÖ hält dem entgegen, dass schon länger angekündigte Aktivitäten eingerechnet werden und nur ein kleinerer Teil der Summe tatsächlich jetzt fließe. Der grüne Spitzenkandidat und Landesrat Stefan Kaineder hat im Wahlkampf praktisch nur ein Thema: den Umwelt- und Klimaschutz. Aber auch das immer verbunden mit dem Hinweis, dass dies viele sogenannte "grüne" neue Arbeitsplätze bringe.