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Krise brachte weniger Arbeitsunfälle

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

Durch Kurzarbeit geringeres Risiko. | Prävention wird stetig verbessert. | Versicherung zahlt rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr. | Wien. Am Mittwoch ist ein 37-jähriger Schweißer von einem Radlader überfahren und getötet worden. Nahezu zeitgleich verletzte sich ein 56-Jähriger beim Holzschlägern schwer. Am Dienstag stürzte ein ÖBB-Mitarbeiter im Weizer Magna-Werk von einem Eisenbahnwaggon und wurde von einem Stahlregal eingeklemmt. Er starb im Unfallkrankenhaus an seinen Verletzungen. Am selben Tag sind zwei Bauarbeiter abgestürzt, während ein Mann in eine Rübenerntemaschine geriet.


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Die Zahl der Arbeitsunfälle scheint derzeit drastisch in die Höhe zu schnellen. Allein seit Oktober gingen 21 Meldungen aus ganz Österreich über schwere Unfälle am Arbeitsplatz ein, von denen sechs tödlich verliefen.

Doch der Schein trügt. Tatsächlich verunglücken im langfristigen Trend immer weniger Personen bei der Arbeit, wie aus den Daten der Statistik Austria hervorgeht (siehe Grafik). Im Vorjahr betrug das Minus sogar mehr als zehn Prozent: Während 2009 121.979 (180 davon tödlich) Arbeitsunfälle exklusive der Weg-, Schüler- und Studentenunfälle gezählt wurden, waren es im Jahr davor 136.856 (203 tödlich).

"Dieser Stand ist der niedrigste in der Zweiten Republik", meint Alexander Heider von der Arbeiterkammer Wien dazu - und macht die Finanzkrise dafür verantwortlich. "Mit der Krise kamen die Kurzarbeit und weniger Überstunden. Und eine kürzere Arbeitszeit bedeutet ein geringeres Risiko, am Arbeitsplatz zu verunfallen", so Heider.

Freilich sei mit der Krise auch der Stress gewachsen, durch den Unfälle oft erst passieren: "An diesen sind jedoch eher der akute Stress und die Angst schuld, eine Arbeit in der vorgegebenen Zeit nicht bewältigen zu können - und wo keine Aufträge sind, da ist auch kein akuter Stress. Krisenbedingter Stress basiert hingegen auf Existenzängsten, die bei Arbeitsunfällen keine Rolle spielen."

Dass die Zahl der Arbeitsunfälle im langfristigen Trend abnimmt, sei auf die stete Verbesserung der Prävention zurückzuführen. "Neben Informationskampagnen in Betrieben führen wir rund 64.000 unangemeldete Kontrollen im Jahr durch, um etwa die Sicherheit auf Baustellen zu prüfen", sagt Eva-Elisabeth Szymanski, Leiterin des Arbeitsinspektorats im Sozialministerium.

Falls bei einer Kontrolle entdeckt wird, dass die Arbeitnehmerschutzmaßnahmen nicht eingehalten werden, muss der Arbeitgeber mit einer Verwaltungsstrafe zwischen 145 und 14.530 Euro rechnen. "Bei einer unmittelbaren Gefährdung wird eine Baustelle sofort gesperrt", so Szymanski. Sobald ein Unfall passiert ist, werde der Arbeitgeber strafrechtlich verfolgt.

Bezüglich der Unfallquote und Verletzungsursachen scheint die Baubranche der gefährlichste Wirtschaftszweig zu sein. 2009 war jeder siebente Bauarbeiter von einem Arbeitsunfall betroffen - nur in der Land- und Forstwirtschaft und im Bergbau ist die Unfallquote ähnlich hoch. Die meisten (27 Prozent) Arbeitsunfälle sind Stürze etwa von einem Gerüst oder einem Dach. Oft ist die Ursache eine kleine Unachtsamkeit - mit fatalen Folgen.

Bis zu 4110 Euro Rente

"Für die Unfallbehandlung, die Rehabilitation, Fahrt-spesen und alle weiteren Kosten wendet die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA jährlich rund 1,2 Milliarden Euro auf", rechnet Heider vor. Über Regresszahlungen der Arbeitgeber kämen nur 25 Millionen Euro zurück.

In die Milliardensumme fallen auch die Versehrtenrenten, die dann ausbezahlt werden, wenn nach einem Unfall die Erwerbsfähigkeit um mehr als 20 Prozent vermindert ist. "Die höchstmögliche Rente beträgt 4110 Euro 14 Mal im Jahr", präzisiert AUVA-Rechtsexperte Michael Janotka. Immerhin gehen laut Gewerkschaft Bau-Holz 71 Prozent der Bauarbeiter mit 57 Jahren in Invaliditätspension.

"Die Ausgaben kommen über den Unfallversicherungbeitrag der Arbeitgeber herein, der 1,4 Prozent des Bruttolohns der Arbeitnehmer beträgt", erklärt Elisabeth Leeb von der AUVA. 4,5 Millionen Personen seien derzeit gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. "Jeder einzelne Unfall dieser Menschen ist schon einer zu viel", resümiert Szymanski.