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Krise im Irak wird von Tag zu Tag schärfer Weit und breit zeichnet sich keine Lösung ab

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Es vergeht kein Tag, an dem nicht Meldungen von neuen schrecklichen Attentaten aus dem Irak eintreffen. Die Anschläge vom Wochenende, als im kurdischen Norden des Landes hunderte Menschen - die Zahlen schwanken noch zwischen 200 und 500 - durch tückische Autobomben getötet wurden, sind nur ein neuer Höhepunkt in dieser Entwicklung, deren Ende nicht abzusehen ist.


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Bisher galt der kurdische Nordirak noch als einigermaßen ruhige Oase in einem Land, das seit dem Einmarsch alliierter Truppen im März 2003 nicht zur Ruhe gekommen ist. In den letzten Wochen gab es aber auch dort immer wieder spektakuläre Anschläge.

Jenseits der Grenzen beobachten der Iran und die Türkei die Lage mit zunehmendem Unbehagen. Die Nachricht, dass iranische und türkische Soldaten gleichzeitig am Donnerstag Stellungen der kurdischen Kämpfer im Nordirak angegriffen haben, zeigt einmal mehr, wie viel Zündstoff in der gesamten Region vorhanden ist.

Während überall im Land Autobomben hochgehen, Tag für Tag neuer Hass gesät wird und angesichts der religiösen und ethnischen Zersplitterung Konflikte für viele Jahre vorprogrammiert erscheinen, zerbröselt das Kabinett der Nationalen Einheit in Bagdad.

Premierminister Nuri al-Maliki hat seine Regierung nach den Wahlen vom Dezember 2005 in mühevollen Verhandlungen erst im Mai des Vorjahres zustande gebracht und die sunnitische Minderheit erstmals nach Saddam Husseins Sturz wieder ins Kabinett geholt. Das galt als Grundvoraussetzung für eine Befriedung in dem gespaltenen Land. Die erwarteten Resultate blieben aber weitgehend aus.

Während die Zahl der zivilen Opfer in den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Volksgruppen Monat für Monat beängstigende Rekorde erreicht und die amerikanischen Besatzungstruppen mit 15. August bereits 3666 Soldaten im Irak verloren haben, wächst die Unzufriedenheit über die Bagdader Regierung auch bei den amerikanischen Verbündeten.

Präsident George W. Bush hat bereits seine Besuche in Japan und Singapur abgesagt, die er im Anschluss an den in Sidney stattfindenden Gipfel des Asien-Pazifik-Wirtschaftsforums Apec Anfang September geplant hatte. Grund ist der für diesen Zeitpunkt erwartete Bericht des Oberkommandos der US-Streitkräfte im Irak.

Den Stellungnahmen führender US-Politiker ist schon jetzt zu entnehmen, dass dieser Bericht nicht schmeichelhaft ausfallen wird - weder für die US-Seite und schon gar nicht für die Regierung Maliki in Bagdad, der von den Amerikanern vorgeworfen wird, die erwarteten Ziele bei weitem nicht erreicht zu haben. Trotz verstärkten Vorgehens gegen die Aufständischen im Irak ist die Lage dort unruhig wie zuvor. Allenfalls haben sich die Rebellen zurückgezogen und schlagen nun dort zu, wo sie es früher nicht taten.

Die Versorgung der irakischen Bevölkerung funktioniert nach wie vor nicht und ist nach Meinung internationaler Hilfsorganisationen hinter den Stand von 2003 zurückgefallen. Irakischen Kindern geht es nach einem Bericht der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef schlechter als je zuvor. Immer mehr Minderjährige haben keine Bleibe mehr und leben auf den Straßen.

Vor der Irak-Invasion haben viele politische Beobachter vor den Folgen eines solchen Schritts gewarnt, sind bei den politisch Handelnden aber auf taube Ohren gestoßen. Der Alltag im Irak seit der Invasion hat alle Befürchtungen bestätigt. Zu den alten Problemen kamen neue dazu. Eine Lösung ist weit und breit nicht in Sicht. Seite 6