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Krise im Paradies

Von Georg Friesenbichler aus Französisch-Polynesien

Wirtschaft
Verfall im "Hotel Bora Bora": Vor zwei Jahren hat man zugesperrt, man hofft auf einen Neustart. Foto: Friesenbichler

Tourismus der Südseeinseln leidet. | Probleme teils global bedingt, teils hausgemacht. | Papeete. "Einmal kam einer zu mir", erzählt Brian, "der hat Arbeit für drei Tage gesucht. Ich habe ihm einen Job für die ganze Saison angeboten. Aber er wollte nur die drei Tage." Brian züchtet Vanille - die tahitianische, die laut seiner Aussage zehnmal so teuer ist wie Bourbon-Vanille. Der gebürtige Däne betreibt die Farm zusammen mit seiner polynesischen Frau und sechs weiteren Familienmitgliedern. | Krisenverlierer im Tourismus


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Dass sich keine anderen Arbeitskräfte finden lassen, erklärt er mit den paradiesischen Zuständen auf Tahaa, der "Vanille-Insel": Mango-Früchte etwa sind auf dem Markt gar nicht zu finden, weil sie jeder im eigenen Garten hat. Und wenn einmal jemand Bargeld braucht, sammelt er einfach die herumliegenden Kokosnüsse auf und transportiert sie auf die Nachbarinsel Raiatea oder auf das etwas entferntere Tahiti, um sie dort zu verkaufen.

Die etwa 4000 Einwohner des in üppigem Grün erstrahlenden Tahaa leben vor allem vom Fischfang und der Landwirtschaft. Damit ernähren sie hauptsächlich sich selbst. Andere Inseln des zu Französisch-Polynesien zählenden Archipels tragen hingegen entscheidend zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei: Die Hauptinsel Tahiti, das benachbarte Moorea und die "Perle der Südsee", die Lagune von Bora Bora, sind Hauptattraktionen für Nordamerikaner, Besucher aus dem Mutterland Frankreich und dem übrigen Europa.

In Zeiten der Wirtschaftskrise bleiben die Gäste allerdings aus. Halten sich die Franzosen, die traditionell das stärkste Segment stellen, schon seit längerem zurück, erreichte der Zustrom der übrigen Europäer 2007 einen Höhepunkt. Dass es seither gehörig bergab geht, ist nicht nur der langen und damit teuren Anreise, für die man mindestens eineinhalb Tage einplanen muss, geschuldet. Die Gesellschaftsinseln, zentraler Archipel Französisch-Polynesiens, sind eine Hochpreisregion.

Hohe Abhängigkeitvon Frankreich

Dies führen Beobachter auf die hohe Abhängigkeit von Frankreich zurück, das zwar 2004 eine weitgehende Autonomie zugelassen hat, das Gebiet aber trotzdem zu seinem Territorium zählen kann. Aber auch wenn der Euro als Zahlungsmittel nicht gilt, fließt doch reichlich europäisches Geld in das "pays doutre-mer" (Überseeland): Der Beitrag, den das Mutterland zum BIP leistet, wird auf 35 Prozent geschätzt, rund die Hälfte der Importe kommt aus Frankreich. Generell wird rund achtmal mehr importiert als exportiert. Und auch bei einem weiteren Standbein der polynesischen Wirtschaft, dem Export von tahitianischen Perlen, gab es in letzter Zeit einen Einbruch.

Aber nicht nur die Europäer vom anderen Ende der Welt weichen in Zeiten der Krise wegen der hohen Preise auf die Malediven, die Seychellen oder die Karibik aus. Der Anteil der US-Amerikaner hat sich seit 2003 fast halbiert, wozu ein Rückgang bei den dort beliebten Kreuzfahrten erheblich beiträgt. Und auch die südpazifischen Nachbarn wie Australien und Neuseeland haben ihre Besucherfrequenz beispielsweise 2009 um 23 Prozent sinken lassen. US-Amerikaner kamen gar um 28 Prozent weniger.

Weit geringer fällt der Schwund übrigens bei den Deutschen aus, und Österreicher kamen im Vorjahr nahezu gleich viele wie zuvor - mit 999 Personen stellten sie allerdings einen verschwindend geringen Anteil an den rund 160.000 Reisenden im Jahr 2009.

Abschwung gebremst, aber nicht vorbei

Insgesamt war laut dem polynesischen Statistikamt im Vorjahr ein Besucherrückgang um 18 Prozent zu beklagen. Die ersten Monate dieses Jahres sahen einen weiteren Rückgang um rund neun Prozent. Nun stehen viele der kleinen Pavillons, die auf Pfähle gesetzt in die Lagunen hineinragen, leer. Das "Hotel Bora Bora" etwa hat schon vor zwei Jahren geschlossen. Auf das Ende der Krise hoffend will man in drei Jahren wieder aufsperren.

Die Tourismusbehörde entfaltet hektische Aktivitäten. Der Beirat des Fremdenverkehrsbüros "Tahiti Tourisme" wurde neu besetzt - Chef ist jetzt kein professioneller Touristiker, sondern ein früheres Mitglied eines der bekanntesten Ensembles für traditionellen Tanz. Zudem wurde vom französischen Parlament 2009 das Heiratsrecht vereinfacht - damit soll die Eheschließung auf den paradiesischen Inseln ohne die bisher nötige Wartezeit erfolgen können.

Wie sehr diese Maßnahme neben den Möglichkeiten für Tauchen, Schnorcheln, Wandern und Segeln zusätzliche Besucher anlockt, ist ungewiss. Zumindest kurzfristige Erholung versprach heuer ein Naturereignis: Rund 5000 Touristen wollten sich im Juli die Sonnenfinsternis nicht entgehen lassen.