Fraktionschef Pflüger abgewählt. | High Noon im Preußischen Landtag: Am Donnerstag wurde Friedbert Pflüger vom Posten des Fraktionsvorsitzenden verjagt. Die Magnaten der Hinterzimmer stürzten den einzig präsentablen Mann der CDU, der 2006 in größter Not von außen geholt und mit 97 Prozent zum Spitzenkandidaten gekürt worden war.
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Die Abwahl sei keine Niederlage; er habe den Posten, nicht aber seine Selbstachtung verloren, pfeift der demontierte und vereinsamte CDU-Politiker im Wald - aus Mitleid widerspricht keiner. Er werde einfacher Abgeordneter bleiben. Einer von nur noch 37 der einst mehr als 100 Mann starken Fraktion. Doch wer Pflüger kennt, kennt auch seinen brennenden Ehrgeiz - der wohl zum Sturz beitrug.
Vorige Woche kündigte er überraschend an, beim Parteitag im Mai 2009 gegen den amtierenden Landesvorsitzenden Ingo Schmitt zu kandidieren, um "die Kräfte der Union zu bündeln". Damit durchbrach Pflüger die Polstertüren-Rituale der schrumpfenden Berliner CDU - und setzte die Maschinerie der Intriganten und Drahtzieher in Gang. Er wurde vors Femegericht der mächtigen Bezirkskaiser zitiert und mit der Pistole auf dem Silbertablett zum Verzicht auf die Kandidatur gezwungen. Am nächsten Tag erklärte er allerdings öffentlich den Verzicht auf den Verzicht und brachte die Lawine ins Rollen, die ihn nun verschüttet hat.
Schon vorher erlangte der Westdeutsche und einstige Schützling des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker eher peinliche Berühmtheit durch seine Ehe mit Margerita Mathiopoulos, deren Nominierung zur SPD-Sprecherin Willy Brandt sein Amt als Parteivorsitzenden kostete. Ihre Scheidung fochten die Pflügers vor Gericht aus.
Nachdem er 2006 auf flehentliche Bitten der Hauptstadt-CDU seinen Staatssekretärsposten im Verteidigungsministerium aufgegeben hatte, holte Pflüger mit dem Handicap des unaufgearbeiteten Berliner Bankenskandals und seiner Stimme gegen den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin bei der Wahl das schlechteste Ergebnis, das die Berliner CDU jemals hatte. Dennoch wurde er zum Fraktionsvorsitzenden gewählt und versuchte fortan, eine Alternative zum rot-roten Klaus-Wowereit-Senat aufzubauen, indem er auf eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen setzte.
Ein Indiz, dass der Putsch gut vorbereitet war, ist die Wahl des Berliner CDU-Generals und Hardliners Frank Henkel zu Pflügers Nachfolger. Dieser erklärte, es sei keine Richtungs-, sondern eine Personalentscheidung. Henkel scheint allerdings nicht gewillt, die Jamaika-Option zu verwirklichen. Im Gegensatz zur SPD, die tatsächlich über politische Inhalte streitet, scheint es in der CDU nur um Macht- und Postenschacher zu gehen. Schließlich werden gerade die CDU-Listen für die bevorstehenden Bundestags- und Europawahlen erstellt. Ingo Schmitt, Noch-Vorsitzender und Pflügers Intimfeind, hat inzwischen bekanntgegeben, beim Parteitag nicht zu kandidieren. Man vermutet, dass es einen Deal geben könnte, bei dem Pflüger entweder wieder in den Bundestag zurückkehrt (in dem jetzt Schmitt sitzt) oder ins EU-Parlament geht. Hätte Schmidt seinen Rückzug vor einer Woche verkündet, wäre Pflüger heute noch Fraktionschef. Mit diesem Doppel-K.o. hat sich die Spitze der Berliner CDU selbst für lange Zeit zu Boden geschlagen.
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