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"Krise verlangt neue Modelle"

Von Brigitte Pechar

Politik

Interview mit ÖGB-Präsident Erich Foglar. | "Bei Managern und Dividenden wurde auch nicht gespart." | "Wiener Zeitung": Was bezweckt die Gewerkschaft mit der Demonstration? | Erich Foglar: Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es bei sehr vielen Lohnverhandlungen - von den Chemiearbeitern bis zu den Druckern - grobe Probleme gibt. Viele Branchen haben bereits vier bis sechs Verhandlungsrunden ohne Ergebnis hinter sich. Die Aufforderung der Industriellenvereinigung, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, ist sehr merkwürdig. Ich frage mich, wo die Arbeitnehmervertreter da geblieben sind. Die Demonstration soll zeigen, dass wir ernst genommen werden wollen.


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Verstehen die Menschen den Kampf der Gewerkschaften um mehr Lohn, wenn gleichzeitig die Zahl der Menschen in Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit steigt?

Es geht bei den Tarifrunden um die rückwirkende Abgeltung der Inflation des letzten Jahres. Darüber hinaus war 2008 ein gutes Jahr - zumindest die ersten drei Quartale. Das muss berücksichtigt werden. Bei den Managergehältern und den Dividenden wurde ja auch nicht gespart.

Sie haben zuletzt einen Schwenk vorgenommen: Bisher hieß es immer kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, jetzt haben Sie das Voest-Modell propagiert, das weniger Lohn bei weniger Arbeit vorsieht, und auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer arbeitet an einem Solidaritäts-Prämien-Modell.

Es gibt zwei Krisenmodelle. In der Voest wurde das Schichtmodell geändert: Mehr Freizeit und mehr Lebensqualität, dafür weniger Lohn. Das andere Modell ist eine Arbeitszeitreduktion um 20 Prozent pro Arbeitnehmer. Wenn das vier Arbeitnehmer anbieten, kann ein fünfter mit 80 Prozent Lohn einsteigen. Das soll Kündigungen verhindern und helfen, dass Lehrlinge - etwa aus Arbeitsstiftungen - aufgenommen werden.

Aber der Slogan Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist damit dahin.

Dieser Slogan galt in der Vergangenheit. Wir werden auch im Hinblick auf die Zeit nach der Krise über Arbeitszeitmodelle nachdenken müssen, denn die Industrie unterliegt einem Strukturwandel. In Zukunft geht es darum, die Arbeitszeit zu reduzieren, Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen und dennoch die Kaufkraft nicht sinken zu lassen. Das ist die Diskussion der nächsten Monate.

Verschärft sich das Klima in der Sozialpartnerschaft durch diese Demonstration?

Demonstrationen verschärfen kein Klima, sondern sind ein Grundrecht. Wenn die Bauern für höhere Milchpreise demonstrieren, kommt niemand auf die Idee, dass dies das Klima vergiftet. Ich setze nach wie vor auf eine funktionierende Sozialpartnerschaft und auf den Verhandlungsweg.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu WKO-Präsident Christoph Leitl?

Wir haben ein sehr korrektes Verhältnis, das von gegenseitigem Respekt getragen ist, und eine intakte und gute Gesprächsbasis.