Iris Ortner, Geschäftsführerin von IGO Industries, fordert Anreize, um verfügbares Kapital zu mobilisieren.
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Im Unterschied zu Branchen wie Handel, Tourismus oder Transport hat die Bauwirtschaft die erste Phase der Corona-Krise glimpflich überstanden. Das wird nicht so bleiben, befürchtet Iris Ortner, die Geschäftsführerin von IGO Industries. Zu dieser, von ihrem Vater Klaus Ortner aufgebauten Firmengruppe gehören unter anderem Elin, SE-Bau, die UBM Development AG und natürlich die Porr AG.
"Wiener Zeitung": Ende März hieß es aus der Porr AG, dass der größte Teil der rund 1000 Baustellen, die der Konzern in Österreich betreibt, stillgelegt war. Auf wie vielen wird derzeit wieder gearbeitet?
Iris Ortner: Auf rund 98 Prozent der Porr-Baustellen wird bereits wieder gearbeitet. Die Situation war für uns in den allerersten Wochen äußerst schwierig, weil völlig unklar. Ende März wurden dann von Sozialpartnern und Arbeitsinspektorat Verhaltensregeln in der Baubranche definiert, das hat gut funktioniert. Seit Ostern ist der Großteil der Baustellen wieder aktiv. Das gilt auch für den Bereich der technischen Gebäudeausstattung.
Die Baubranche gilt als einer der Problembereiche, wenn es um Missbrauch bei der Kurzarbeit geht. Es heißt, auf bis zu einem Drittel der Baustellen, werden die Kontrolleure fündig. Bei Ihnen auch?
Zwei Firmen unserer Firmengruppe, Porr und Elin, wurden bereits geprüft, und es gab keine Beanstandungen. Die Regelungen zur Kurzarbeit sind allerdings ausgesprochen kompliziert, hinter einem Fehler muss nicht zwingend eine Betrugsabsicht stehen. Wo aber eine Betrugsabsicht vorliegt, muss der Gesetzgeber in aller Strenge handeln.
Eine Umfrage bezifferte den Umsatzverlust in der Baubranche Ende April mit 1,8 Milliarden Euro, zeigte sich jedoch optimistisch, dies durch Nachzieheffekte wieder aufzuholen. Sind Sie auch so optimistisch?
Ich bin deutlich skeptischer, weil die Baubranche gleich zwei Mal von dieser Krise getroffen wird. Das erste Mal mit dem Baustopp Mitte März, aus dieser Phase kommen wir jetzt gerade heraus, und hier gibt es tatsächlich einen Nachzieheffekt. Allerdings haben sich auch die Rahmenbedingungen geändert, durch Abstandsregeln, gestaffelter Arbeitsbeginn, Maskentragen und anderes, die zu Verzögerungen und Mehraufwand führen, was wiederum auf die Baukosten durchschlägt. Das zweite Mal trifft uns die Krise 2021 und 2022, weil wir von einer Lücke ausgehen, wenn jetzt keine Entscheidungen und Vorbereitungen für neue Bauprojekte getroffen werden. Nur ein Beispiel von vielen: Die Terminalerweiterung am Flughaben Schwechat wird jetzt wohl kaum umgesetzt werden, da das Reiseaufkommen nicht absehbar ist.
Mit welchen Kostensteigerungen ist zu rechnen: 5, 10, gar 15 Prozent?
Wir arbeiten erst seit sechs Wochen unter den geänderten Corona-Bedingungen, das ist noch zu kurz, um es bereits jetzt präzise bewerten zu können. Hinzu kommt, dass jede Baustelle andere Rahmenbedingungen hat.
Und wer wird die Mehrkosten berappen müssen?
Dort, wo die Önorm zu 100 Prozent gilt, werden Kostensteigerungen aufgrund höherer Gewalt dem Auftraggeber zugeordnet. In jedem Fall müssen wir die Mehrkosten erheben, und für jedes Projekt eine Einigung zwischen Bauherrn und Baufirma erzielen müssen, weil beide aufeinander angewiesen sind. Wir haben hier noch keine Erfahrungswerte.
Mit welchem Umsatzminus muss die Baubranche 2020 rechnen?
Ich rechne damit, dass 2020 nicht unser größtes Problem sein wird, ich mache mir aufgrund der gedrückten Stopptasten für 2021 und 2022 größere Sorgen. Nicht nur im öffentlichen Bereich, etwa auf Gemeindeebene, auch in der Industrie. Und mit Sicherheit werden dadurch die Preise in der Branche stark nach unten gehen.
Gerade eben haben Sie noch von steigenden Kosten geredet.
Wir werden beides haben: Steigende Kosten wegen der neuen Vorgaben an den Baustellen und sinkende Preise, weil alle Firmen um jeden einzelnen Auftrag kämpfen werden - und das bei den jetzt schon niedrigen Margen in der Branche. Im Margen-Rückgang wird die wirkliche Dramatik liegen - und das bei ohnehin niedriger Rentabilität.
Was ist zu tun, um die Baubranche durch die Krise zu bringen?
Die Preise werden sinken, deshalb wäre für jeden Bauherren jetzt die Zeit, Vorhaben vorzubereiten und im nächsten Jahr umzusetzen. Wichtig wäre auch, dass die Regierung verfügbares privates Investitionskapital durch Anreize mobilisiert, etwa über eine deutlich höhere Abschreibung der Baukosten in den ersten Jahren. In den 1970er Jahren lag die Höhe bei 50 Prozent im ersten Jahr. Das wäre für den Staat eine kostengünstige Lösung, ist effektiv, zeitlich gut steuerbar, sichert Jobs und fließt direkt in die Wertschöpfung. Zentral, nicht nur für die Baubranche, wäre auch, wichtige Industriebereiche etwa im Pharmabereich wieder nach Österreich zu holen. Auch Investitionsförderungen im Bereich Klimaschutz haben einen Mehrwert. Und wir müssen grundsätzlich die Eigenkapitalbasis verbessern und Anreize setzen, das gilt für die steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital für Unternehmen ebenso wie für die Eigentumsbildung von Privatpersonen.
Sie sind auch im Aufsichtsrat der ÖBAG. Die Übernahme systemrelevanter Betriebe in wirtschaftlicher Schieflage wurde diskutiert. Kommt eine Verstaatlichungswelle?
Ich habe das vor allem als mediale Debatte wahrgenommen. Mir kam dazu bisher als Aufsichtsrätin kein konkreter Vorschlag unter. Als Unternehmerin bin ich naturgemäß kein Verstaatlichungsfan. Ich halte es aber für ganz zentral, dass in Unternehmen, die die Grundlagen des heimischen Wirtschaftsstandorts absichern und die gleichzeitig von ausländischen Beteiligungen getragen werden, österreichische Interessen jetzt wieder verstärkt wahrgenommen werden.