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Krisen-Feuerwehren im Hochbetrieb

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Zwei Institutionen verteilen viele Milliarden. | Immer mehr Staaten brauchen dringend Hilfe. | Krise lässt weltweite Kritik immer mehr verstummen. | Im Oktober 2008 wurde Dominique Strauss-Kahn schlagartig für eine breite Öffentlichkeit interessant: Fast wäre er über eine Sexaffäre mit einer Mitarbeiterin gestolpert. Was der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) sonst macht, ist weniger bekannt. Die Antwort, kurz gesagt: Der bald 70-jährige Franzose möchte die Welt retten, derzeit vor allem vor der weltweiten Finanzkrise. Bisher hat seine Institution normalerweise befristete Kredite an Staaten vergeben, die unter wirtschaftlichen Problemen litten - unter anderem an Argentinien, die Türkei oder Brasilien. Doch seit die Weltwirtschaft in der schärfsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg steckt, ist die mit rund 180 Milliarden Dollar gefüllte IWF-Kassa gefragter als jemals zuvor.


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Robert Zoellick, Präsident der Weltbank, verfolgt ähnliche Ziele: "Wir stecken in einer globalen Krise, und die braucht globale Antworten." Der passionierte Marathonläufer, der unter Bush als Vize-Außenminister gedient hatte, ehe er zur Investmentbank Goldman Sachs wechselte, trat sein Amt erst im Juli 2008, also in einer besonders schwierigen Situation, an. Seine Bank, die kein Geldinstitut im engeren Sinn ist, versucht nicht nur den Ärmsten dieser Welt beizustehen, sondern steht Ländern auch in akuten Krisenfällen zur Seite: Der Ukraine genehmigte sie im Dezember 2008 eine halbe Milliarde Dollar für Strukturreformen - und Indien erhielt kürzlich gleich drei Milliarden Dollar.

Die beiden Sonderorganisationen der Vereinten Nationen spielen derzeit als politisch-ökonomische Hilfsorganisationen eine zentrale Rolle bei den weltweit erforderlichen Feuerwehraktionen.

Der IWF, der Mitgliedsstaaten beisteht, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, hat alle Hände voll zu tun: Allein in den vergangenen drei Monaten musste er Ungarn, der Ukraine, Island, Pakistan, Lettland, Weißrussland und El Salvador kräftige Finanzspritzen verpassen, um in diesen Ländern das Schlimmste abzuwenden.

Hilfspakete für den Kampf gegen die Armut

Während der IWF kurzfristige Kredite zwecks Bewältigung von Krisen vergibt, agiert die Weltbank langfristiger: Sie setzt nämlich auf strukturelle Finanzierungen. Im Gegensatz zum Fonds, der wie eine Feuerwehr agiert und sich dabei auf makroökonomische Politik konzentriert, sollen die von der Weltbank unterstützten mikroökonomischen Projekte eine Modernisierung von Strukturen bringen. Die beiden internationalen Finanzorganisationen, die in Washington ihren Sitz haben, arbeiten indes seit einigen Jahren eng zusammen, etwa wenn den ärmsten Entwicklungsländern Schulden erlassen werden.

Die Weltbank-Gruppe (siehe Grafik) teilte im Vorjahr insgesamt rund 35 Milliarden US-Dollar in Form von Darlehen, Zuschüssen, Beteiligungen, Investitionen und Garantien aus (2007 waren es nur 13,5 Milliarden). Sie vergab wie gewohnt langfristige Kredite zu günstigen Konditionen sowie zinslose, langfristige Darlehen für Investitionsprojekte und Reformpro-gramme. Dabei hat das betreffende Land im Extremfall bei zehn tilgungsfreien Jahren 35 bis 40 Jahre Zeit für die Rückzahlung.

Seit jeher schaltet sich die Weltbank nach bewaffneten Konflikten ein - allein im Zeitraum 1990 bis 2001 hat es davon weltweit 56 gegeben: Afghanistan erhielt für den Wiederaufbau der Infrastruktur 368 Millionen Dollar, der Republik Kongo wurden im Zuge eines Wiederaufbauprogramms 454 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, und auch Kambodscha, Mosambik, Tschad, Burundi, Ruanda oder Aserbaidschan erhielten in kritischen Zeiten Unterstützung aus Washington.

Weiters hilft sie auch bei Naturkatastrophen wie Dürre, Erdbeben, Hochwasser oder Waldbränden: So zahlte die Weltbank 160 Millionen Dollar an Äthiopien, Malawi und Sambia, um diesen Ländern bei der Überwindung von Dürre perioden beizustehen. Indien wurden nach dem Erdbeben in Gujarat im Jänner 2001 rund 600 Millionen Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt.

Nicht nur die Ärmsten werden unterstützt

Schließlich widmet sich die Weltbank auch dem Kampf gegen Korruption: Sie unterstützte Steuerreformen in Kolumbien und Venezuela, wurde in Russland und der Ukraine aktiv, war in die Verwaltungsreformen in Tansania und Jemen eingeschaltet und finanzierte einschlägige Projekte in Lettland und Kambodscha.

Die Weltbank, die im Wesentlichen versucht, mit den Ressourcen der reichen Staaten Wachstum in den armen Ländern zu schaffen, hat im vergangenen Frühjahr ein 1,2-Milliarden-Dollar-Paket geschnürt, um die Ärmsten der Welt zu unterstützen. Die UN-Mitglieder haben sich im Jahr 2000 die sogenannten Millennium Development Goals gesetzt, auf deren Basis der nachhaltige Abbau der Armut erfolgen soll. Derzeit engagiert sich die Weltbank in mehr als 1800 Projekten in allen Teilen der Welt - das reicht von der Bereitstellung von Mikrokrediten in Bosnien-Herzegowina über die Förderung von Bildungsmöglichkeiten für Mädchen in Bangladesch bis zur Mitwirkung am Wiederaufbau in Ost-Timor.

Auch anderen Staaten, die das nötig haben, werden von der Weltbank laufend unterstützt. Beispiel: Serbien hat sie im November 2008 einen Kredit in Höhe von rund 300 Millionen Euro für den Autobahnbau am paneuropäischen "Korridor X" gewährt. Ihre Tochter International Finance Corporation (IFC) hat sich entschlossen, in Montenegros E-Wirtschaft einzusteigen: Sie sicherte sich um 70 Millionen Euro fünf Prozent des staatlichen montenegrinischen Stromkonzerns EPCG - auch die Wiener Verbundgesellschaft zeigt starkes Interesse an dieser Privatisierung.

Neue Aufgaben lassen die Kritiker verstummen

Die Weltbank fördert überdies die Privatwirtschaft in Entwicklungsländern; sei es durch Beteiligung an Firmen oder durch die Übernahme von Garantien.

Jahrelang wurde sie von Umweltschutzorganisation und Globalisierungsgegnern heftig kritisiert. Einer der Vorwürfe lautete, dass sie mit Vorliebe Großprojekte wie Staudämme oder Pipelines finanziere, die Umweltschäden verursachen, und zu wenig auf eine nachhaltige Entwicklung achte.

Diese Kritik von verschiedenen Seiten scheint nun angesichts der jüngsten Krise deutlich abzunehmen, und es wird mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Weltbank etwa bereit ist, den unter anderem von der rot-weiß-roten OMV forcierten Bau der Gas-Pipeline Nabucco finanziell zu unterstützen.

Auch der IWF, der für die reichen Länder längst keine wichtige Rolle mehr spielt - früher gehörten auch Industriestaaten wie Großbritannien zu seinen Kreditnehmern - könnte an Profil und Ansehen gewinnen. Besonders in den Neunzigerjahren war ihm gerne verfehltes Krisenmanagement vorgeworfen worden; zum Beispiel bei den Krisen in Argentinien und Ostasien. Speziell in den Vereinigten Staaten hatte sich der Eindruck breit gemacht, dass die IWF-Rettungsaktionen etliche Schwellenländer geradezu dazu verführten, zu hohe Schulden aufzunehmen.

In jüngster Zeit hat jedoch seine Stimme deutlich an Gewicht gewonnen. Die Forderung der IWF-Auguren, dass Europas Regierungen mitsamt ihren Zentralbanken alles unternehmen müssten, um eine neue Große Depression zu verhindern, wurde zweifellos gehört. Auch die Warnung, dass es in Osteuropa zu einem Flächenbrand käme, sollten die dort engagierten Banken den Rückzug antreten und Gelder abziehen, scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben.

Der IWF steht jedenfalls Gewehr bei Fuß: Er wird wohl noch etliche CEE-Länder, die sich in finanzieller Schieflage befinden, retten können.

Wissen: Wie funktionieren der IWF und die Weltbank?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde im Juli 1944 ins Leben gerufen und nahm seine operative Tätigkeit im März 1947 auf. Er soll die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik fördern. Weitere Ziele sind die Ausweitung des Welthandels, die Stabilisierung von Wechselkursen, die Überwachung der Geldpolitik und der Kreditvergabe.

Die Weltbank, ebenfalls eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, wurde Ende 1945 auf der Grundlage des Bretton-Woods-Abkommens gegründet und im Juni 1946 erstmals aktiv. Ursprünglicher Zweck der Weltbank, genau genommen International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), war, den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg verwüsteten Staaten zu finanzieren.

Der IWF zählt derzeit 185 Mitgliedsländer, wobei die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und China die größten Stimmanteile halten. Beschlüsse müssen mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden, womit die USA sowie die EU de facto über eine Sperrminorität verfügen.

Der Weltbank gehören ebenfalls 185 Mitgliedsstaaten an, die diese finanzieren und die Verwendung der Gelder verantworten. Sie beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter am Hauptsitz in Washington D.C. sowie in den derzeit 109 Länderbüros - seit Oktober 2008 gibt es in Wien eine Filiale der Weltbank, die sich primär um die Förderung von Investitionen in Osteuropa und Zentralasien kümmert.

Oberstes Organ der Weltbank ist der Gouverneursrat, in dem jedes Mitgliedsland durch den Wirtschafts- oder Finanzminister vertreten ist. Das Exekutivdirektorium besteht aus 24 Personen, die das Tagesgeschäft wahrnehmen. Die laufenden Geschäfte führt der Präsident entsprechend den Direktoriums-Beschlüssen. Er wird von den Exekutiv-Direktoren für fünf Jahre gewählt, hat den Vorsitz im Direktorium, allerdings kein Stimmrecht, und leitet den Mitarbeiterstab.

Die Organe des Währungsfonds sind der Gouverneursrat, der Währungs- und Finanzausschuss, das Exekutivdirektorium, der Entwicklungsausschuss und das Finanzstabilitätsforum. Der Fonds wird von einem geschäftsführenden Direktor geleitet, der stets ein Europäer ist - seit November 2007 der ehemalige französischer Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn.