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Krisen- statt Wachstumsdebatten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Wirtschaft

EU-Kommissionspräsident Barroso sieht Fortschritte beim Sparen.


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Brüssel. Bis ins Innere des EU-Kommissionsgebäudes drangen die Sprechchöre von der Straße nicht durch. Draußen forderten Vertreter mehrerer Gewerkschaften einen Plan für Beschäftigung und Wachstum. Drinnen plädierte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso im Prinzip für das Gleiche, als er die Themen des Gipfeltreffens präsentierte, der am heutigen Donnerstag beginnt. Doch betonte er auch das, was die Opponenten heftig kritisieren: dass budgetäre Mäßigung und die Einhaltung der Sparvorgaben für die Länder von höchster Bedeutung seien.

Dabei mache die EU durchaus Fortschritte, befand Barroso. So werden bereits strengere Regeln zur Überwachung der Haushaltsdisziplin angewandt, und auch die Finanzmärkte würden sich schon erholen. Die finanziellen Hilfsmaßnahmen für Griechenland seien ebenfalls eingeleitet worden. Und nicht zuletzt werden die EU-Staats- und Regierungschefs am morgigen Freitag den Fiskalpakt unterzeichnen. Allerdings wollen sich nicht alle Staaten den Verpflichtungen zum Sparen anschließen. Großbritannien hat schon zu einem frühen Zeitpunkt seine Ablehnung bekundet, und später folgte Tschechien. Noch kurz vor dem Gipfel bekräftigte Premier Petr Necas, dass er seine Unterschrift nicht unter den Fiskalpakt setzen werde.

Ein anderes Land will zwar - so wie die 24 weiteren Mitglieder - unterschreiben, hat aber bereits angekündigt, den Vertrag auch vom Volk bestätigen zu lassen: Irland bereitet ein Referendum zum europäischen Fiskalpakt vor. Gefährdet ist das Projekt dadurch aber nicht. Das Abkommen kann im nächsten Jahr in Kraft treten, auch wenn es nicht alle Staaten ratifizieren. Zwölf Länder reichen dafür aus.

Das Vertragswerk sieht unter anderem vor, dass die Länder nahezu ausgeglichene Haushalte anstreben und nationale Schuldenbremsen einführen. Bei Verstößen gibt es automatisch Strafmaßnahmen, stoppen können dies die EU-Finanzminister nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Als letzte Sanktion kann der Europäische Gerichtshof gegen einen Staat eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung verhängen. Das Geld soll in den Euro-Rettungsfonds ESM fließen.

Entscheidung über Rettungsfonds verschoben

Der wird übrigens - entgegen ursprünglichen Plänen - offiziell nicht im Mittelpunkt der Gipfeldebatten stehen. Dazu wird es wohl einen eigenen Euro-Gipfel in der zweiten Märzhälfte geben. So werde es an diesem Wochenende noch keine Entscheidung über die finanzielle Ausstattung des dauerhaften Rettungsschirms geben, suggerierte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Berlin lehnt bisher eine Anhebung der Obergrenze für den ESM ab und will es bei dem Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro belassen. Andererseits stehen die Euro-Staaten unter Druck vor allem des Internationalen Währungsfonds, den Rettungsschirm aufzustocken.

Bei all den - ob offiziellen oder informellen - Krisendebatten scheint das Thema, dem der EU-Frühjahrsgipfel traditionellerweise gewidmet ist, an den Rand gedrängt zu werden. Um Wirtschaft und Wachstum sollte es da gehen, und Willensbekundungen dazu gibt es auch. Im Jänner hat etwa die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit präsentiert, der die Staaten dazu auffordert, konkrete Maßnahmen für den Arbeitsmarkt zu entwickeln.

Eine "konkrete Diskussion" wünscht sich Barroso denn auch bei diesem Spitzentreffen. Neue Strategien seien nicht notwendig, vielmehr sei die Verpflichtung zur Umsetzung dessen gefragt, was vereinbart wurde, erklärte der Kommissionspräsident.

Das freilich lässt Interpretationsspielraum offen. Bei ihrer letzten Zusammenkunft vor einem Monat haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs zwar auf Wachstumsimpulse geeinigt. Doch sind die Formulierungen allgemein gehalten. Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit gehört ebenso dazu wie Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Abbau von Hürden auf dem europäischen Binnenmarkt.