Der Widerstand auch innerhalb der SPÖ ist ökonomisch und demokratiepolitisch gut begründet.
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In den vergangenen Wochen hat sich in der SPÖ ein zunehmender Widerstand gegen den Fiskalpakt entwickelt. Nachdem an der Basis von Junger Generation und Gewerkschaft schon seit Längerem Unzufriedenheit wegen der Zustimmung der Parteispitze zum Fiskalpakt herrschte, ist es auf dem Landesparteitag der Wiener SPÖ am 28. April zu einer intensiven Debatte über den Fiskalpakt gekommen, die dazu geführt hat, dass ein Antrag zur Ablehnung des Fiskalpaktes der Jungen Generation zwar keine Mehrheit, aber dennoch beachtlichen Zuspruch gefunden hat.
Der Sieg des Sozialisten François Hollande bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat dann endgültig auch bei einigen Nationalratsabgeordneten in Österreich zum Umdenken geführt.
Vom Klubchef der ÖVP, Karlheinz Kopf, wurde diese Entwicklung in einem Interview der Zeitung "Standard" vom 12. Mai hämisch als Revolte gegen den Bundeskanzler und SPÖ-Bundesparteiobmann Werner Faymann dargestellt, da dieser als Vertreter Österreichs dem Fiskalpakt im Europäischen Rat der Regierungschefs zugestimmt hatte. Das ist eine böswillige Verdrehung der Tatsachen durch den politischen Gegner, die leider auch innerhalb der SPÖ einige Sympathisanten findet.
Der Fiskalpakt wird von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie von Gewerkschaftern und von der Arbeiterkammer jedoch nicht bekämpft, um dem Bundeskanzler der Republik Österreich zu opponieren, sondern weil er ökonomisch unsinnig und demokratiepolitisch höchst bedenklich ist. Denn mit der Einrichtung einer dauerhaften Schuldenbremse und automatischen Korrekturmechanismen bei Überschreitung der Defizitkriterien würde der Fiskalpakt neoliberale Spielregeln manifestieren, die zu weniger Wachstum und in der Folge längerfristig sogar zu höheren Schulden führen könnten.
Außerdem ist der Fiskalpakt demokratiepolitisch desaströs, da er am europäischen Gemeinschaftsrecht vorbei die nationalen Parlamente in Budgetfragen entmachtet und die Europäische Kommission faktisch zum Gesetzgeber in der Wirtschaftspolitik macht.
Dass sich also in der SPÖ Widerstand gegen diese autoritäre Entwicklung der europäischen Institutionen im Interesse der neoliberalen Elite regt, ist ein Zeichen dafür, dass es in der SPÖ noch Kräfte gibt, die ihre Verantwortung für die Interessen der Mehrheit der Menschen in Österreich ernst nehmen und sich nicht kampflos dem Lobbyismus der neoliberalen Elite geschlagen geben. Deshalb darf diese Initiative im Dienste einer wachstumsfördernden Wirtschaftspolitik und für ein demokratischer gestaltetes Europa nicht als Revolte gegen einen einzelnen Spitzenpolitiker verkannt werden.
Sie sollte vielmehr als das gesehen werden, was sie ist: ein Angebot an die Führung der SPÖ, gemeinsam den Weg in ein gerechteres, solidarischeres und demokratischeres Europa einzuschlagen, indem dem neoliberalen Spardogma sozialdemokratische Konzepte für mehr Wachstum und Beschäftigung entgegengesetzt werden.