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Kritik an Biosprit wird schärfer

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Breite Front an Gegnern sieht "tödliche Konkurrenz zwischen Tank und Teller".


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Wien/Berlin. Weltweite Missernten und Agrarspekulationen treiben heuer die Nahrungsmittelpreise in die Höhe, die Kritik am Biosprit flammt neu auf - und wird heftiger. In Deutschland hat sich jüngst erstmals ein Regierungsmitglied für einen sofortigen Verkaufsstopp des ohnehin umstrittenen Biosprits E10 ausgesprochen: "Gerade bei steigenden Lebensmittelpreisen kann Biosprit zu stärkerem Hunger in der Welt beitragen", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel. Mehrere Hilfsorganisationen unterstützen die Forderung des FDP-Ministers: "Es ist ungerecht und verantwortungslos, dass Menschen hungern müssen, damit wir mit einem scheinbar reinen Gewissen unsere Autos tanken können. Land muss zuerst dafür da sein, um Nahrungsmittel anzubauen", sagte etwa der Sprecher des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Rainer Lang, der "Westdeutschen Zeitung". Auch die deutsche Welthungerhilfe begrüßte den Vorstoß und fordert, die Ethanol-Beimischquote einzufrieren.

In Österreich hält Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich dennoch am Plan fest, E10 im Herbst einzuführen. "Es wird nur ein ganz geringer Anteil an Getreide für die Bioenergieproduktion verwendet. Die Nahrungsmittelproduktion ist keinesfalls gefährdet", sagte am Donnerstag ein Sprecher von Berlakovich zur APA. Sowohl in Österreich als auch europa- und weltweit stünden "Flächen- und Produktionspotenziale in mehr als ausreichendem Maß zur Verfügung".

Wann genau der in Deutschland anfangs sensationell gefloppte Biosprit - E10 bedeutet eine Beimischung von zehn Prozent Ethanol - in Österreich genau kommen soll, hänge vom Koalitionspartner respektive dem Büro von Verkehrsministern Doris Bures ab. Für das von Doris Bures (SPÖ) geführte Verkehrsministerium ist der Herbst offenbar nicht fix, ein Sprecher spielte den Ball zurück: Die entsprechende E10-Verordnung liege in Berlakovichs Verantwortung. Dessen Sprecher wiederum erklärte, es liefen Verhandlungen. Kürzlich habe es ein "Spitzengespräch" gegeben, offene Punkte würden derzeit geklärt. Hauptsächlich gehe es um die Information der Bevölkerung. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", etwa eine Informationskampagne geplant, so der Berlakovich-Sprecher. Damit soll vermieden werden, dass die Autofahrer (wie in Deutschland passiert) E10 aus Angst um die Motoren ihrer Fahrzeuge boykottieren.

Greenpeace: Mehr Schaden als Nutzen für die Umwelt

Berlakovich hat mit seinem E10-Vorhaben bis auf die Biosprit-bzw. Agrarbranche wenige Mitstreiter. Die Debatte in Deutschland gibt heimischen Kritikern Aufwind. Umweltschützer sind der Meinung, Treibstoff aus Getreide, Mais oder Zuckerrüben füge der Umwelt mehr Schaden als Nutzen zu. Die klimaschädlichen Treibhausgase würden lediglich "in Richtung Landwirtschaft - oder ins Ausland - verlagert", argumentiert etwa "Greenpeace".

Auch der Autofahrerklub Arbö erneuerte am Donnerstag seine Kritik. Gerade jetzt, da die Preise von Getreide und Mais in die Höhe schnellten, sei ein denkbar schlechter Zeitpunkt für die Einführung von E10: Generalsekretärin Lydia Ninz sieht eine Teuerungswelle auf Österreichs Autofahrer zurollen. Die geplante Einführung des E10-Biosprits würde "die Preistreiberei bei Nahrungsmittelrohstoffen verstärken", erwartet auch die Arbeiterkammer (AK) - in Österreich würde die E10-Einführung die Konsumenten unter dem Strich mit 51 Millionen Euro Mehrkosten und Steuern belasten, so die AK.

Massive Bedenken äußern auch die Entwicklungshilfeorganisationen. "Es gibt eine tödliche Konkurrenz zwischen Teller und Tank, und da sage ich, der Teller muss gewinnen", sagte Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer im "Ö1-Morgenjournal". Vor allem in den USA, wo momentan 40 Prozent der - wegen der aktuellen Dürre ohnehin mageren - Mais-Ernte in Raffinerien landen, brauche es einen Stopp oder zumindest eine Drosselung der Biospritproduktion, in Europa sollte es ein Moratorium geben.

Mais hat sich seit Juni um 50 Prozent, Soja um 30 Prozent verteuert. Dass die Wettgeschäfte an den Agrarmärkten angesichts der Verschärfung der Hungerproblematik von alleine aufhörten, glaubt die Caritas nicht. Das sei "ein viel zu großes Geschäft": 2003 seien 13 Milliarden Euro in diesem Sektor spekulativ aktiv gewesen, 2008 schon mehr als 300 Milliarden, derzeit "noch wesentlich mehr", so Schweifer: Ein Investmentbanker habe kürzlich gesagt, "die Dürre in den USA ist, wie wenn ein Goldhahn aufgedreht würde".