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Kritik an Darabos Zahlenspiel

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Kosten für Modell 3 auf Druck Darabos nach unten korrigiert. | ÖVP, FPÖ und BZÖ sprechen von Manipulation. | Pilz: Darabos und Entacher rauswerfen. | Wien. Die SPÖ-Spitze hält ebenso noch zu Verteidigungsminister Norbert Darabos und seinen Plänen zur Aussetzung der Wehrpflicht und Etablierung eines Freiwilligenheeres, wie der interimistische Generalstabschef Othmar Commenda und die "Kronenzeitung". Diese versicherte dem Minister am Donnerstag in Reimform ihre Unterstützung und warf ganz nebenbei Bundespräsident Heinz Fischer für dessen mahnende Worte charakterliche Defizite vor.


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Auch auf Facebook steht ein kleines Grüppchen von 125 Usern "zu 100 Prozent hinter BM Norbert Darabos". Während rund 1000 Facebook-Benutzer seinen Rücktritt fordern und 5500 dem Fanclub von Ex-Generalstabschef Edmund Entacher beigetreten sind.

Ansonsten bläst dem Verteidigungsminister aber ein starker Wind entgegen. Umso mehr, seit bekannt wurde, dass das von Darabos präferierte Modell 3 einer Freiwilligenarmee nach den Berechnungen des Generalstabs eigentlich um 500 Millionen Euro jährlich mehr kosten würde als das derzeitige System, nämlich 2,6 Milliarden Euro. Bei der Präsentation vor zehn Tagen kosteten jedoch beide Modelle 2,1 Milliarden.

Laut dem Büro von Darabos habe man lediglich die geplanten Prämien, die "unrealistisch hoch angesetzt" gewesen seien, gekürzt: bei der Miliz von 10.000 Euro pro Jahr auf 5000, bei den Auslandseinsätzen von 12.000 auf 7200. So habe man die 500 Millionen Euro eingespart. Im "Standard" sprechen allerdings hohe Militärs von überhöhten Annahmen seitens des Ministers. So seien etwa Erwartungen, was den Verkaufserlös von Heeresimmobilien angeht, einfach höher angesetzt worden.

ÖVP "erschüttert"und ohne Vertrauen

Die Zahlenspiele des Verteidigungsministeriums ließen am Donnerstag bei ÖVP, FPÖ und BZÖ eine Woge der Empörung hochgehen. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf erklärte im ORF-Radio: "Unser Vertrauen in den Herrn Verteidigungsminister ist schwerst erschüttert. Er schreckt offenbar nicht davor zurück, Zahlenmaterial und Berechnungen zu manipulieren."

Am Montag sollen Gespräche zwischen SPÖ (vertreten durch Darabos und Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der Alternativen zum Zivildienst erarbeiten soll) und ÖVP (vertreten durch Außenminister Michael Spindelegger und Innenministerin Maria Fekter) über die Zukunft des Heeres und die künftige österreichische Sicherheitsdoktrin beginnen. Zuversichtlich ist Kopf diesbezüglich allerdings nicht. Aufgrund des erschütterten Vertrauens seien die Verhandlungen nun sicher "sehr, sehr schwierig". Die ÖVP fordert jedenfalls mittels parlamentarischer Anfrage Aufklärung von Minister Darabos.

FPÖ für Ministeranklage gegen Darabos

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht Darabos "der Lüge und der Manipulation überführt". Der Minister habe ein "falsches und manipulatives Bild in der Öffentlichkeit" präsentiert, die Bevölkerung angelogen und betrogen sowie die Verfassung gebrochen, um ein parteipolitisches Ziel voranzutreiben. FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer meinte, Darabos Tätigkeit als Minister sei von Anfang an an Absurditäten nicht zu überbieten gewesen. Demgegenüber habe General Entacher nur gemäß der Verfassung gehandelt. Dessen Abberufung sei daher ein "Verfassungsputsch", so Fichtenbauer. Die FPÖ will nun eine Ministeranklage gegen Darabos prüfen.

Eine solche zu unterstützen könnte sich auch das BZÖ vorstellen. "Wir sind für alle Ideen offen, die dazu führen, dass im Ressort wieder geordnete Zustände herrschen", erklärte Klubobmann-Stellvertreter Herbert Scheibner. Der frühere Verteidigungsminister kritisierte die Absetzung Entachers massiv: Es sei dessen Pflicht gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Sicherheit des Landes gefährdet sei. Statt ihn abzuberufen hätte man den General auszeichnen müssen, so Scheibner.

Pilz fordert personellen Neustart für Heer

"Mehr als seltsam" findet die Situation auch Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz, denn nicht nur Darabos sieht sich mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert, sondern auch Entacher. Diesem wird unterstellt, in seinem Bericht Passagen gestrichen zu haben, die für eine Abschaffung der Wehrpflicht sprechen (was der General bestreitet).

Aus Sicht von Pilz reichen beide Vorwürfen, um sowohl Entacher als auch Darabos "rauszuhauen". Ein Heer, an dessen Spitze sich der Minister und der Generalstabschef einen offenen Krieg liefern, sei "kein Zustand mehr. Statt dessen sei ein sachlicher, politischer und personeller Neubeginn nötig.

Wissen: Ministeranklage

Eine Ministeranklage kann gegen bestimmte Amtsträger beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen schuldhafter Rechtsverletzungen einschließlich strafbarer Handlungen, die mit der Amtstätigkeit zusammenhängen, erhoben werden. Geregelt ist sie in den Artikeln 142 und 143 Bundes-Verfassungsgesetz sowie im Verfassungsgerichtshofgesetz.

Ministeranklagen können sich gegen den Bundespräsidenten, Mitglieder der Bundesregierung oder Mitglieder einer Landesregierung richten.

Das Staatsoberhaupt kann per Beschluss der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) wegen Verletzung der Bundesverfassung geklagt werden.

Mitglieder der Bundesregierung können wegen Gesetzesverletzung vom Nationalrat angeklagt werden.

Mitglieder der Landesregierung können wegen Gesetzesverletzung aber auch wegen Nichtbefolgung einer Verordnung oder Weisung des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung angeklagt werden. Ankläger ist hier der Landtag. Aber auch von der Bundesregierung kann ein Landeshauptmann oder ein Mitglied einer Landesregierung angeklagt werden

Ein verurteilendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat auf Verlust des Amtes, unter erschwerenden Umständen auch auf Verlust der politischen Rechte zu lauten. Bei geringfügigen Rechtsverletzungen kann sich der Verfassungsgerichtshof in bestimmten Fällen auch mit der Feststellung begnügen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.

Seit 1945 nur eine einzige Anklage

In der Zweiten Republik gab es bisher nur eine Ministeranklage, nämlich durch die Bundesregierung Mitte der 80er Jahre gegen den Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Er hatte am 8. Dezember 1984 entgegen einer Weisung des Sozialministers die Geschäfte offen gehalten. Der VfGH verurteilte sein Vorgehen und stellte fest, dass eine Rechtsverletzung vorliege - weitere Konsequenzen gab es aber nicht.