Diese Woche sollen die ersten Hilfsgelder für EPU und Co. fließen. Doch von Betroffenen wird Kritik an den Kriterien laut.
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Zu langsam, zu wenig, zu kompliziert: Die Kritik an den staatlichen Hilfen aus dem Härtefallfonds für Kleinstunternehmen, Ein-Personen-Unternehmen und Selbständige, nimmt zu. Von einem "Bürokratiemonster" spricht Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn, SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter ortet einen "gefährlichen Dilettantismus" und FPÖ-Vize-Bundesparteiobmann Haimbuchner wittert einen "Skandal".
Der mit einer Milliarde Euro dotierte Härtefallfonds ist für all jene EPU und Kleinstunternehmer, denen wegen der Corona-Maßnahmen die Umsätze ausfallen oder die schließen mussten. Seit Freitagabend können Unternehmen bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) um Soforthilfen bis 1000 Euro ansuchen. Bis Montagabend 18 Uhr gingen 82.000 Anträge ein. 89 Prozent davon wurden bereits bearbeitet, heißt es von Seiten der WKÖ. 50 Millionen Euro seien zur Überweisung angewiesen worden.
Doch nicht alle können auf den Topf zugreifen. Viele EPU und Selbständige haben aufgrund der Kriterien keine Chance auf die Gelder. So sind Personen, die mehrfach versichert sind, von der Antragstellung ausgeschlossen - die "Wiener Zeitung" berichtete. Besonders häufig betroffen sind Berufsgruppen wie Sprachlehrer, Künstler oder Texter.
Deshalb sitzt Sabine Karrer derzeit auf glühenden Kohlen. Sie arbeitet im Hauptberuf selbständig als freie Texterin. Daneben macht sie zehn Stunden in der Woche Öffentlichkeitsarbeit für eine Hauskrankenpflege-Organisation. Damit hätte sie Anspruch auf die Soforthilfe. Doch weil ihr Gehalt aus der Festanstellung um 150 Euro über der Geringfügigkeitsgrenze von 460 Euro liegt, ist sie von den Mitteln ausgeschlossen. "Ich kenne viele Menschen, die das betrifft. Ich verstehe die Kriterien nicht", sagt sie.
Die Gelder bleiben ihr verwehrt. "Als reines Ein-Personen-Unternehmen geht es sich bei mir finanziell nicht aus, darum habe ich nebenbei noch zehn Stunden gearbeitet", sagt Karrer. Die Aufträge als Texterin sind ihr wegen der Corona-Krise aber alle weggebrochen. Und auch bei ihrer Zehn-Stunden-Anstellung sieht es nicht gut aus. Kurzarbeit ist für sie nicht möglich. "Außer Krisenkommunikation gibt es derzeit zu wenig zu tun", sagt Karrer. Sie berät mit ihrem Arbeitgeber, wie es weitergehen soll. "Ich überlege, ob ich mich mit einer Wiederanstellungsgarantie kündigen lasse."
Psychische Belastung
Karrer dachte nicht, dass es sie so schwer treffen würde. Sie hat sich ihr EPU über acht Jahre lang aufgebaut. Nun steht ihr eine unsichere Zukunft bevor. Sie weiß nicht, wann sie wieder Aufträge bekommt. "Zu der Existenzangst, die man als Selbständige ohnehin hat, kommt noch eine zusätzliche psychische Belastung", sagt Karrer. "Wenn ich mein Unternehmen zusperre, bleibt mir nur noch die Notstandshilfe."
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) reagierte am Samstag auf die Kritik von Betroffenen. Er kündigte an, dass auch die Mehrfachversicherten und Unternehmen mit höheren Einkommen zum Zug kommen sollen.
Ob und wie die Kriterien geändert werden, damit bestimmte EPU nicht ausgeschlossen werden, steht allerdings noch nicht fest. "Wir können uns Änderungen vorstellen", sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. Man verhandle derzeit mit Wirtschaftsministerium und Vizekanzler Kogler. Die Kriterien seien jedoch "nicht in Stein gemeißelt". Die Richtlinien für die zweite Phase, in der es bis zu 6000 Euro gibt, werden derzeit finalisiert, sagt der Sprecher.
Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer machte sich am Wochenende für Staatshilfen für Gründer und Start-ups stark. Es gebe laut Mahrer rund 6000 Unternehmen, die derzeit keinen oder nur wenig Anspruch auf die Soforthilfe haben. Für sie versprach Mahrer Lösungen.
Paulina Parvanov hofft stark darauf. Sie hat am 1. Jänner 2020 ihre Musikagentur "sodamithimbeer" gegründet. Sie ist Agentur, Label, Management und Kommunikationsberaterin in einem und betreut rund zehn Künstler. "Meine Agentur ist erst drei Monate alt. Ich falle durch den Rost", sagt Parvanov. Konzerte wurden abgesagt, Veröffentlichungen von Bands verschoben. Ihr fehlen Booking-Provisionen. Um eine Labelförderung vom österreichischen Musikverband kann sie nicht ansuchen, weil sie 2019 noch kein Einkommen gehabt hat. "Ich bin zu klein und zu neu, um gefördert zu werden", sagt die Agenturchefin. Große Summen würde sie nicht brauchen: "Bei mir zählen schon 100 Euro, das macht einen Unterschied", sagt Parvanov.
Um auf die prekäre Situation von EPU und Kleinstunternehmen aufmerksam zu machen, hat sich auf Facebook die Gruppe "EPU Österreich - Gemeinsam durch die CoronaKrise" formiert. "In der Gruppe werden die Einkommensunter- und Obergrenzen besonders stark kritisiert", sagt der Kulturmanager Christian Bauer. Laut WKÖ-Richtlinien sind Einkünfte von mindestens 5527,97 Euro Voraussetzung. Die Obergrenze liegt bei 33.812 Euro. "Das ist völlig absurd", sagt Bauer. "Niemand in der Gruppe versteht, warum hier nur die wenigen, die in der Bandbreite liegen, unterstützt werden."
Anspruch auf Verdienstentgang
Die Gewerkschaft vidaflex setzt inzwischen an einer anderen Stelle an. "Wir erarbeiten gerade ein Servicepaket für alle, die trotz Aushebelung des Epidemiegesetzes einen Antrag auf Umsatzentschädigung stellen wollen", sagt Patrice Fuchs von vidaflex. Die Gewerkschaft wolle die Mitglieder juristisch begleiten. Zum Hintergrund: Das Epidemiegesetz regelt, dass Unternehmen und Betriebe, die aufgrund einer Seuche geschlossen wurden, Anspruch auf Verdienstentgang haben. Mit dem kürzlich erlassenen Covid-19-Maßnahmengesetz wurde es aber außer Kraft gesetzt.
Der Wiener Anwalt Robert Gschwandtner hält die gesetzliche Abänderung des Epidemiegesetzes zumindest für verfassungsrechtlich bedenklich. "Der Staat hätte eine Regelung einführen können, wonach er zum Beispiel 50 Prozent des Verdienstentgangs ausbezahlt. Das wäre eine sachlich gerechtfertigte Beschränkung, je nachdem was sich der Staat leisten kann", sagt Gschwandtner. Ob das Covid-19-Gesetz verfassungswidrig ist, muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden.