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Kritik an und Alternativen zu den geplanten Deutschklassen

Von Martina Madner

Politik

Die Opposition kritisierte die Regierungspläne nicht nur im U-Ausschuss, sondern auch öffentlich.


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Wien. Drei Mal politische Kritik an den von der Regierung geplanten Deutschklassen, drei Mal Verbesserungsvorschläge von Expertinnen für bessere Integration - damit hatten die Oppositionspolitikerin Sonja Hammerschmid (SPÖ), Claudia Gamon (Neos) und Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Liste Pilz) nach dem Bildungsausschuss am Dienstag aufzuwarten.

Hammerschmid leitet zwar mit einem "Ziel, das alle Parlamentsfraktionen eint", ein, und zwar, "dass alle Schülerinnen und Schüler Deutsch können müssen, um dem Unterricht folgen zu können". Danach folgt aber sogleich: "Der Weg dahin ist das, was uns auch heute nicht geeint hat."

Oppositionskritikan Mittelkürzungen

Im Gesetz zu den eigenen Förderklassen, um Deutsch zu erlernen, anstatt wie bisher im Klassenverbund integriert und mit zusätzlichem Förderunterricht, sieht Hammerschmid eine "Hauruckaktion, die gemacht wird, um die Wahlkampf-Slogans des Herrn Kurz zu erfüllen". Sie begründet das mit der Halbierung der Mittel und damit um insgesamt 865 weniger Pädagogen, Sozial- und andere Mitarbeiter. In den Deutschklassen würde zudem vor bis zu 25 Schülern und nicht mehr in Kleingruppen unterrichtet. Außerdem seien weder die Lehrpläne noch Testungen erarbeitet.

Neos-Abgeordnete Claudia Gamon spricht von einem "Marketingschmäh", der "nicht nur nicht zulässig, sondern fahrlässig" sei. Bei den Deutschklassen handle es sich um eine "rein punktuelle Maßnahme", die nicht in ein Integrationspaket eingebettet sei. Außerdem vermisst sie eine "evidenzbasierte Herangehensweise", eine Evaluierung des aktuellen Modells als Grundlage für Neuerungen.

Und Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Abgeordnete der Liste Pilz, kritisiert, dass der Deutschunterricht in separaten Klassen, "einem großen Ziel abträglich ist, nämlich der Integration". Sie fordert ein, Interkulturalität verpflichtend in den Lehrerunterricht zu integrieren. Sie lässt sich ihre Meinung, dass "die Segregierung der Kinder in keinster Weise besser funktioniert", von den Expertinnen, die die drei Parteien in den Ausschuss geladen haben, untermauern. Zum Beispiel sagt Heidi Schrodt, Vorsitzende der Initiative Bildung Grenzenlos, ehemals Schuldirektorin, es gebe Studien, die sowohl dem additiven, also zusätzlichen Deutschunterricht als auch dem integrierenden Modell, Deutsch im regulären Unterricht zu lernen, ein gutes Zeugnis ausstellen. Für die dritte Variante aber, "für die separierenden Klassen gibt es keine positiven Befunde".

Und die Alternative? Nicht nur für Hammerschmid ist es die Beibehaltung des aktuellen Systems, das sie nun erst evaluieren, dann verbessern würde. Auch Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger an der Johannes Kepler Universität in Linz, sagt: "Die gemischte Förderung, bei der die Kinder zur Stammklasse gehören, ist das präferierte Modell."

Verbesserungsvorschlägeder Expertinnen

Die drei Expertinnen würden dieses aber verbessern wollen. Bildungspsychologin Christiane Spiel fordert etwa mehr Schulentwicklung. Deutschlernen und Integration seien breiter an den Standorten einzubetten, das Wissen darum "für alle Lehrer wichtig". Für mehr Erfolg bei der Integration würde sie "möglichst früh beginnen", in der Elementarpädagogik im Kindergarten: "Da gibt es den größten Return on Investment."

Der Schlüssel für Spiel sei außerdem mehr Autonomie in der Planung und Umsetzung der Integrationsmaßnahmen an den Schulstandorten; dazu eine treffsichere, anstelle einer Finanzierung per Gießkanne. Dafür schlägt Schrodt zum Beispiel das "Pupil premium funding" in London vor. Dort gibt es für Brennpunktschulen nach einem Sozialindex um bis zu 62 Prozent mehr Ressourcen. Das habe messbare Erfolge gebracht. Alle drei Expertinnen betonen, dass die Qualifizierung in Sachen Integration nicht nur bei künftigen, sondern auch bereits unterrichtenden Lehrenden ansetzen solle.

ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner meldete sich nach dem Ausschuss ebenfalls zu Wort: Er zeigt sich "zuversichtlich", dass die meisten Schüler in kurzer Zeit in die Regelklassen wechseln könnten. Sein Beleg dafür ist ein Pilotprojekt in Wiener Neustadt, das es seit Februar in ganz Niederösterreich gebe. Man habe "nach wenigen Monaten bereits eine Verbesserung der Sprachkompetenz feststellen können". Eine Aussage, die Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger übrigens gerne analysieren - und be- oder widerlegen möchte.