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Kritische Tage in Brüssel und Athen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EU und IWF retten Athen zwar vor der sofortigen Pleite. | Umfang und Details neuer Hilfen bis Juli vertagt. | Vor allem die Beteiligung der Banken ist strittig. | Brüssel. Die Rettungsbemühungen für den griechischen Patienten nehmen verstärkt chaotische Züge an. Ein Krisentreffen der Eurofinanzminister am Sonntagabend soll das Sorgenland zumindest vor der unmittelbaren Pleite bewahren. "Die nächsten Tage werden für die finanzielle Stabilität und wirtschaftliche Erholung in Griechenland und Europa kritisch", meinte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Donnerstag. | Athen versenkte Unsummen bei Militär und Verwaltung | ÖVP macht weitere Hilfen von Reformen abhängig | 'Europastaaten | Analyse: Warten wäre Wahnsinn


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Er sei aber zuversichtlich, dass die Auszahlung der nächsten Tranche aus den bisher laufenden Notkrediten über 110 Milliarden Euro am Sonntag beschlossen werden kann.

Damit wäre Griechenland immerhin bis September vor dem finanziellen Kollaps gerettet. Die zwölf Milliarden Euro braucht das Land bis Ende Juni, um die fälligen Schulden zurückzahlen zu können.

Damit bei dieser dringend benötigten Geldspritze der Internationale Währungsfonds (IWF) mitzahlt, wollen die Eurofinanzminister grundsätzlich auch ein weiteres Hilfspaket beschließen. Weil die Modalitäten für die ursprünglich vor allem von Deutschland geforderte Beteiligung des Privatsektors - also vor allem der Banken - aber noch völlig offen sind, sollen der Umfang und die Bedingungen der zweiten Griechenland-Rettung erst beim Treffen der Finanzminister am 11. Juli festgezurrt werden.

Deutschland würde sogar bis Herbst warten

Berlin soll gerüchteweise sogar bis September damit warten wollen, was in Brüssel allerdings als keine besonders geeignete Taktik zur Beruhigung der Märkte angesehen würde. Der deutschen Forderung nach einer freiwilligen Bankenbeteiligung hatten sich zuletzt Österreich, die Niederlande und Finnland angeschlossen. Rätselhaft bleibt dabei, wie sie gestaltet werden soll, damit die Ratingagenturen die anvisierte Umschuldung nicht als Zahlungsausfall und Griechenland als pleite bewerten.

Das würde Athen auch vom Geldtropf der Europäischen Zentralbank abschneiden, weil diese griechische Anleihen endgültig nicht mehr als Sicherheit akzeptieren könnte. Athen wäre für lange Zeit vom Markt abgeschnitten, es drohte eine unkontrollierte Insolvenz mit verheerenden Folgen für die EU-Banken und die Eurozone.

Entscheidend ist für die Bewertung der Freiwilligkeit der Beteiligung privater Gläubiger. Standard&Poors sieht diese Möglichkeit bei seiner derzeitigen Bewertung der griechischen Anleihen mit CCC so gut wie nicht mehr. Fitch ließ am Donnerstag verlauten, dass ein rein freiwilliger Tausch fälliger Schuldverschreibungen gegen neue Papiere im Stil der "Wiener Initiative" nicht unbedingt als Ausfall gewertet würde. Im Rahmen der "Wiener Initiative" hatten sich einige Großbanken im Gegenzug für IWF-Hilfsprogramme bereit erklärt, ihre Töchter in Ost- und Südosteuropa weiter mit Kapital zu versorgen.

Schwierig wäre bei einer solchen Aktion bloß, vorherzusagen auf wie viel Schulden die privaten Gläubiger zumindest vorläufig verzichten würden. Bis Ende 2014 braucht Griechenland mindestens 85 Milliarden Euro zusätzlich zum laufenden 110-Milliarden-Paket und geplanten Privatisierungen über rund 30 Milliarden. Mit bis zu 30 Milliarden planen die deutschen Strategen scheinbar den Anteil der Banken. Wie das bei einer freiwilligen Beteiligung möglich sein soll, ist unklar.

Sicher ist nur, dass Griechenland sowohl für die 12-Milliarden-Tranche als auch für das zweite Rettungsprogramm die bereits zugesagten radikalen Spar- und Privatisierungspläne im Parlament verabschieden muss. Am liebsten hätte die Kommission einen Schulterschluss der Parteien, um die Fortführung der Reformen bis Ende 2014 auch beim Kollaps der Regierung unter Giorgos Papandreou zu gewährleisten.

1500 Milliarden Euro für Rettungsfonds?

Schon früher durchgesickert waren Grundzüge des neuen Hilfspakets. Dieses sollte nicht mehr aus zwischenstaatlichen Notkrediten der Euroländer sondern eher aus dem Eurorettungsschirm "European Financial Stability Facility" (EFSF) gespeist werden. Dieses Thema war durch das Griechenland-Chaos völlig in den Hintergrund getreten: Der EFSF sollte bis zum EU-Gipfel nächste Woche auf seine volle Leistungsfähigkeit von 440 Milliarden Euro aufgepumpt werden - und der dauerhafte Rettungsschirm für die Zeit nach Juni 2013 ("European Stability Mechanism"/ESM) mit einem Volumen von 500 Milliarden endgültig beschlossen werden.

Um auf Nummer sicher zu gehen, hat der niederländische Notenbankchef Nout Wellink schon einmal vorgeschlagen, den Eurorettungsschirm auf 1500 Milliarden Euro (inklusive IWF-Anteil) aufzustocken.