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Kroatien dreht sich im Kreis

Von WZ-Korrespondent Krsto Lazarevic

Politik
Hoffnung auf Neuauflage: Die HDZ hat nun mit Andrej Plenkovic einen moderaten Konservativen an der Spitze.

Nach den zweiten Parlamentswahlen innerhalb von zehn Monaten steht Kroatien wieder ohne klare Mehrheit da.


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Zagreb. Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic zückt ihr Handy, während sie in der Wahlkabine sitzt. Stolz fotografiert sie ihr Kreuzchen bei der nationalkonservativen HDZ. Dumm nur, dass es in Kroatien verboten ist, seine Wahlkarte zu fotografieren - und die Präsidentin damit gegen geltendes Recht verstoßen hat. Geschadet hat die Aktion der HDZ aber nicht. Sie ist als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Weil die Regierungskoalition aus rechtskonservativer HDZ und wirtschaftsliberaler Most (Brücke) nach nur fünf Monaten zerbrach, waren die Kroaten zum zweiten Mal innerhalb von zehn Monaten aufgerufen, den Sabor zu wählen. Das Wahlergebnis ähnelt dem der vergangenen Parlamentswahlen von November 2015. Damals kam keine stabile Regierung zustande. Die Koalitionsverhandlungen dürften also schwierig werden.

Die nationalkonservative HDZ kann mit 61 Mandaten rechnen, während das von der sozialdemokratischen SDP angeführte Mitte-Links-Lager auf 54 Sitze kommt. Damit haben weder HDZ noch die Koalition um die sozialdemokratische SDP eine Mehrheit von 76 der 151 Sitzen im Sabor und sind auf Koalitionspartner angewiesen. Selbst mit den Drittplatzierten von Most (13 Sitze) würde es für keine der Parteien für eine Mehrheit reichen. Dennoch kommt Most die Schlüsselrolle für die Bildung einer Koalition zu. Die Partei konnte bei den letzten Parlamentswahlen aus dem Stand heraus 19 Sitze holen und koalierte daraufhin mit der HDZ. Most hat sich anfangs erfolgreich als postideologische Wirtschaftspartei verkauft, obwohl sie ideologisch klar verankert ist. Der Parteivorsitzende Bozo Petrov unterhält enge Beziehungen zur katholischen Kirche, die gesellschaftspolitischen Vorstellungen sind teils erzkonservativ. Petrov ist nicht nach langen Verhandlungen zumute. Er gab den beiden großen Parteien bis Freitag Zeit, um ein Sieben-Punkte-Reformprogramm von Most mitzutragen.

Listen von "Volksverrätern"

Eine Koalition aus HDZ, Most und einigen Kleinparteien sowie Minderheitenvertretern gilt als die wahrscheinlichste Koalition. Das wäre eine Neuauflage der vergangenen Regierung, die nach gerade einmal fünf Monaten scheiterte. Daher zweifeln Experten an der Stabilität einer solchen Koalition. Die Regierung zerbrach nicht an ideologischen Streitigkeiten, sondern an einem Interessenkonflikt des Vizepremiers und damaligen HDZ-Vorsitzenden Tomislav Karamarko, der inzwischen zurückgetreten ist. Der neue Vorsitzende Andrej Plenkovic gilt als moderater Konservativer, der sich als Europapolitiker ein Renommee erarbeitet hat.

Vor allem die liberalen Kräfte in Kroatien hoffen, dass sich die moderaten Ansichten Plenkovics auf die Politik der künftigen Regierung auswirken. Die Regierungskoalition aus Most und HDZ forcierte bislang einen massiven Rechtsruck. Es wurden Listen von "Volksverrätern" erstellt und Kulturschaffende und unabhängige Journalisten gegängelt. Applaus gibt es von rechts außen, während der liberale Teil der Gesellschaft immer ungläubiger auf die Entwicklungen im Land blickt. Vor allem Minderheitenvertreter zeigten sich schockiert über Politik und Rhetorik der Regierung. Vertreter der serbischen Minderheit und der jüdischen Gemeinden forderten mehrfach den Rücktritt des Kulturministers Zlatko Hasanbegovic, dem sie vorwerfen, den Holocaust zu relativieren und Sympathien für die Nazikollaborateure der Ustascha zu hegen. Inzwischen ist Hasanbegovic Vizevorsitzender der HDZ und könnte damit eines Tages auf den moderaten Plenkovic folgen.

Erfolg der Antikapitalisten

Einen Überraschungserfolg verbuchte mit acht Mandaten die neue Linkspartei "Zivi zid" (Lebende Mauer) um den 26-jährigen Ivan Vilibor Sincic. Die Wurzeln der Partei liegen im Kampf gegen Zwangsräumungen von Häusern und Wohnungen, die in Kroatien nach der Wirtschaftskrise stark anstiegen. Die Wähler der Antikapitalisten sind häufig unzufrieden mit der EU-Mitgliedschaft und wollen sich nicht dem gefühlten Diktat der Banken beugen. Die Partei macht zudem durch Forderungen nach wirtschaftlichem Protektionismus und antiwestlichen Ressentiments auf sich aufmerksam. "Zivi zid" lehnt eine Regierungsbeteiligung konsequent ab, wobei die Ergebnisse auch kein Mitte-Links Bündnis hergeben würden.

Eine große Koalition ist wegen der anhaltenden Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Nationalkonservativen unwahrscheinlich. Sie beschimpfen sich gegenseitig gerne als Kommunisten beziehungsweise als Ustascha. Bei derben persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Spitzenpolitikern der beiden Volksparteien werden selbst die Mütter der Kontrahenten nicht verschont.

Die Bürger Kroatiens hatten aber sowieso keine große Lust, nach gerade einmal zehn Monaten wieder an die Wahlurnen zu gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,38 Prozent - und somit um acht Prozent niedriger als bei den vergangenen Wahlen.