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Kroatien steht am Eingang zur EU

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Knapper Zeitplan bis zum Junigipfel. | Überwachung bis zur Aufnahme. | Brüssel. So rasch wie möglich sollen die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien abgeschlossen werden. Diese Empfehlung wollen Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Erweiterungskommissar Stefan Füle den Mitgliedstaaten spätestens am Freitag formell übermitteln, wie in Kommissionskreisen bestätigt wurde.


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Der Beitritt Kroatiens als 28. Mitgliedsland der EU sei per 1. Juli 2013 "möglich". Dieses Datum findet sich auch in den Unterlagen, welche in der Kommission gerade fertiggestellt werden.

Konkret handelt es sich um die abschließenden Bewertungen der letzten vier offenen Verhandlungskapitel. Laut Kommission hat Zagreb auch in den am meisten umstrittenen Kapiteln "Justiz und Grundrechte" sowie "Wettbewerbsfähigkeit" die Bedingungen der EU erfüllt. Die anderen zwei Bereiche sind "Finanz- und Haushaltsmittel" sowie Sonstiges.

Dieser Schritt wird von EU-Strategen nicht nur als riesiger Fortschritt für Kroatien, sondern auch als Signal für den gesamten Westbalkan gesehen. "Die Türe ist offen", laute die Botschaft. Es liege an jedem Land selbst, die Bedingungen für den Beitritt zu erfüllen. Zuletzt hatte Serbien mit der Auslieferung des lange als Kriegsverbrecher gesuchten Ex-Generals Ratko Mladic einen großen Satz in Richtung EU gemacht.

Der serbische Präsident Boris Tadic verlangt seither offensiv Kandidatenstatus heuer und Beitrittsverhandlungen ab Anfang 2012. Beides ist zumindest theoretisch möglich.

Der Abschluss der kroatischen Beitrittsverhandlungen noch bis zum EU-Gipfel am 24. Juni ist durch die rasche Vorlage der Kommissionsberichte immerhin möglich geworden. Das EU-Vorsitzland Ungarn möchte das unbedingt erreichen und hat den Sitzungskalender der für Erweiterung zuständigen Diplomaten schon einmal mit Terminen zugepflastert. Denn die Mitgliedstaaten müssen die Berichte der Kommission genauestens prüfen.

Ob sich das in den knapp zwei Wochen bis zum Treffen der Staats- und Regierungschefs ausgeht, hängt laut Experten sehr stark vom Inhalt der Dokumente ab. Zum Vergleich: Beim zuletzt nicht sehr umstrittenen Kapitel "Fischerei", das am Montag abgeschlossen wurde, dauerte die Prüfung rund drei Wochen.

Heikles ThemaJustiz und Grundrechte

Diesmal kommt erschwerend hinzu, dass die Kommission aller Voraussicht nach empfiehlt, dass Kroatien einige Bedingungen erst bis zu seinem tatsächlichen Beitritt erfüllen muss. Die Bewertung, ob alle Voraussetzungen dafür 100-prozentig gegeben sind, könne einige Zeit in Anspruch nehmen, hieß es. Vor allem bei "Justiz und Grundrechten" sind einige Mitgliedstaaten wie die Niederlande seit der verfrühten Aufnahme von Bulgarien und Rumänien besonders vorsichtig. Für eine EU-konforme Wettbewerbsfähigkeit müssen die Kroaten noch ihre Werften privatisieren. Sicher ist daher auch ein Überwachungsmechanismus für Zagreb bis zum Beitritt. Die Frage scheint nur noch, wie streng und mit welchen möglichen Sanktionen er versehen werden könnte.

Nach dem Verhandlungsabschluss, der spätestens im September erwartet wird, soll der Beitrittsvertrag unter polnischem EU-Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte unterzeichnet werden. Dann müssen die Kroaten ihrem Beitritt noch per Referendum zustimmen und alle 27 Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizieren, was üblicherweise höchstens 12 bis 18 Monate dauert. Ohne völlig unvorhergesehene Zwischenfälle steht dem Beitritt Mitte 2013 daher nichts mehr im Weg.