Misstrauensvotum der Koalitionspartei HDZ gegen parteilosen Premier ging durch - Neuwahlen wahrscheinlich.
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Zagreb. Im jüngsten EU-Mitgliedsstaat Kroatien erreicht eine lähmende Regierungskrise ihren Höhepunkt. Nur fünf Monate nach dem Amtsantritt ist der parteiunabhängige Tihomir Oreskovic am Donnerstag durch ein Misstrauensantrag im Parlament gestürzt worden. Initiator Antrags und stellvertretender Ministerpräsident der größten Koalitionspartei HDZ, Tomislav Karamarko, hat sich damit selbst als möglicher Nachfolger in Stellung gebracht. Er hofft, eine Mehrheit im Parlament ohne den bisherigen Koalitionspartner Most hinter sich scharen zu können, was aber allgemein bezweifelt wird. Misslingt der Versuch, finden im Sommer vorgezogene Neuwahlen statt.
Das Ende des Kabinetts kommt dabei äußerst ungelegen. Kroatien feiert seine Abspaltung von Jugoslawien vor 25 Jahren. Zahlreiche offizielle Unabhängigkeitsveranstaltungen sind angesetzt, sie werden nun ohne Kabinettsmitglieder stattfinden müssen. Denn das kühne Koalitionsexperiment zwischen der rechtsnationalen HDZ und der liberalen Partei "Most" (Brücke) ist nach monatelangen Zerwürfnissen endgültig zerbrochen. Oreskovic machte in seiner Rede vor den Abgeordneten Karamarko für das Scheitern verantwortlich. "Karamarko haben die Wirtschaftsprobleme und die Reformen nicht interessiert", er habe vielmehr seine eigenen Interessen über die des Staates gestellt.
Anfangs als politisch unbefangen gelobt, wird Oreskovic nun in den Regierungsreihen als politisch unerfahren abgefertigt. Die Spannung in der Mitte-Rechts Regierung ist nach persönlichen Beleidigungen, Korruptionsvorwürfen und unterstellter Unfähigkeit vollkommen eskaliert. Heimische Medien sprechen von einem noch nie dagewesenen Polittheater, das zur kompletten Handlungsunfähigkeit der Regierung beitrug. Um dieser politischen Seifenoper ein Ende zu setzen, sprach sich ein am Donnerstag abgehaltener Misstrauensantrag gegen den parteilosen Premier Oreskovic für dessen Absetzung aus. Dieser Schritt wurde zusätzlich von der linken Opposition rund um den ehemaligen Premierminister Zoran Milanovic unterstützt, die sich in Anbetracht der aktuellen Lage im Falle von Neuwahlen äußert gute Chancen ausrechnet.
Allerdings hatten auch oppositionelle Kräfte in diesem Politfiasko ihre Hände im Spiel und forderten bis zuletzt den unter Korruptionsverdacht stehenden Karamarko zum Rücktritt auf. Seit Mittwoch ist nun auch dieser Umstand Realität. Um den Weg für Neuwahlen freizumachen, war der Parteivorsitzende der HDZ und Vizepremier Tomislav Karamarko zurückgetreten. Da eine andere Regierungsmehrheit nicht in Sicht ist, scheinen Neuwahlen nun der einzige Weg aus der Bredouille. Und politische Stabilität hätte das kleine Adrialand nun bitter nötig.
Zur Politik- kommt die Wirtschaftskrise
Interne Querelen sowie politische Selbstprofilierungsversuche lenkten in den letzten Monaten von den tatsächlichen Problemen Kroatiens ab. Großspurig angekündigte Reformen blieben auf der Strecke, wodurch das jüngste EU-Land immer näher an den Rand des wirtschaftlichen Bankrotts rutschte. Inzwischen scheint auch die Kreditwürdigkeit des Landes an den internationalen Finanzmärkten durch die politische Krise betroffen.
Laut neuesten Auswertungen liegt die Staatsverschuldung bereits bei 90 Prozent der Wirtschaftskraft und auch die kommenden Jahre versprechen nichts Gutes. 2017 werden vermehrt Rückzahlungen fällig, die Kroatien in eine ähnliche wirtschaftliche Lage wie Griechenland drängen könnten, warnen Experten. Obwohl diese Entwicklung eine drastische Belastung für das Budget darstellt, hat sich die Massenflucht von jungen, gut ausgebildeten Bürgern zu Kroatiens Hauptproblem entwickelt. Dies ist vor allem dem veralteten Bildungssystem zu verschulden, dessen Modernisierung von den rechten Kräften vereitelt wird. Kulturminister und offener Sympathisant des faschistischen Usasta-Regimes Zlatko Hasanbegovic tat sich dabei besonders hervor. Seine Relativierungsversuche der Ustasa-Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges sorgten nicht nur international für Schlagzeilen, sondern lösten einen geistigen Bürgerkrieg in Kroatien aus. Nach einem erzwungenen Rücktritt einer Expertenkommission zur Reform des Bildungswesen, traten in Zagreb jüngst zehntausende Menschen auf die Straßen, um gegen die befürchtete Rückkehr einer nationalistischen Politik zu demonstrieren. Mit Neuwahlen verbinden sie vor allem die Hoffnung auf einen Wechsel im Kulturministerium.
Karamarko und seine HDZ pokern hoch
Von 137 anwesenden Abgeordneten, stimmte eine deutliche Mehrheit von 125 für den Rücktritt Oreskovics. Nun muss innerhalb von 30 Tagen eine neue Regierung formiert werden. Andernfalls ist eine Auflösung des Parlaments mitsamt Neuwahlen zu erwarten. Das Bündnis zwischen HDZ und Most - zweier Parteien, die unterschiedlicher nicht sein könnten - gilt als kläglichste Koalition in der modernen kroatischen Geschichte. Der aktuelle Kurs - gekennzeichnet durch gegenseitige Kriminalisierung - löste jedenfalls viel Unmut im Land aus. Vor allem die HDZ verlor an Rückhalt. In einer Umfrage des Privatsenders N1 und der Tageszeitung "Jutarnji list" liegen inzwischen die oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) klar vor den Rechtsnationalen.