Die erbitterte Fehde zwischen Robert F. Kennedy und Jimmy Hoffa, Boss der mächtigen US-Transporter-Gewerkschaft "Teamster Union" mit engen Kontakten zur Mafia, trug vermutlich zur Wahl von Bruder John F. zum US-Präsidenten 1960, möglicherweise aber auch zu den Morden an den Kennedy-Brüdern selbst bei. Nun starb der Kronzeuge im ersten Prozess gegen Hoffa, Rechtsanwalt John Cye Cheasty, im Alter von 96 Jahren. Sein Tod wirft ein Licht auf dunkle Seiten der amerikanischen Geschichte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Cheasty hatte vor dem Zweiten Weltkrieg Amerikas Secret Service angehört und war während des Kriegs als Spezialist für Gegenspionage in der Marine eingesetzt gewesen. Später verteidigte er als Marine-Rechtsanwalt in 500 Fällen Soldaten vor dem Kriegsgericht, zog sich wegen Herzproblemen 1951 aus der Marine zurück und eröffnete in New York eine Rechtsanwaltskanzlei. In einem Steuerhinterziehungsfall verteidigte er Joe Bosano, einen Neffen von Albert Anastasia, dem Anführer der New Yorker Mafia.
Als Spezialist für Korruption und Finanzstrafsachen verfolgte er natürlich aufmerksam die Aktivitäten des McClelland-Ausschusses, eines Untersuchungsausschusses des Senats, der Missbrauch von Gewerkschaftsgeldern und Korruption innerhalb der Gewerkschaften untersuchte. Erster Berater des Komitees war der junge Rechtsanwalt Robert F. Kennedy, dessen furchtloses Vorgehen Dave Beck, den Vorsitzenden der Teamster Union, hinter Gitter brachte. Beck hatte sich persönlich an Gewerkschaftsgeldern beteiligt und aus dem Pensionsfund die Mafia finanziert.
Verbindung zur Mafia
Der Fall Becks bedeutete gleichzeitig den Aufstieg von Jimmy Hoffa zum Präsidenten der Fahrergewerkschaft. Auch Hoffa unterstützte die Mafia mit riesigen Darlehen aus dem Pensionsfund - sein Freund Morris "Moe" Dalitz, der Unterwelt-Architekt von Las Vegas, baute mit diesen Geldern das Desert Inn und das Stardust Hotel -, war aber schlauer als sein Vorgänger und hinterließ wenig Spuren. Dennoch wollte er genau informiert sein, was sich innerhalb des Senatsausschusses abspielte, und lud Cheasty zu sich nach Detroit. Er bot dem New Yorker Rechtsanwalt 18.000 Dollar in cash, wenn es ihm gelänge, sich in den Ausschuss einzuschleusen und ihn mit vertraulichen Berichten aus den Untersuchungen zu versorgen. Cheasty ging zum Schein auf den Handel ein, meldete sich aber postwendend bei Kennedy: "Ich habe das Gefühl, er will Amerika verraten", sagte er zu Kennedy.
Auch Kennedy spielte mit und versorgte den Rechtsanwalt mit gefälschten Dokumenten, die Cheasty dem Teamster-Präsidenten gegen Bargeld aushändigte. Bei der Übergabe schlossen sich die Handschellen um Jimmy Hoffa.
Die Verhaftung Hoffas war der Höhepunkt der Feindschaft zwischen dem späteren General Attorney der Regierung John F. Kennedy und dem anrüchigen Gewerkschaftsboss. Bobby hatte Hoffa vorerst noch versucht, in sein Lager zu ziehen. Ein privates Treffen der beiden in Washington endete jedoch beinahe mit Handgreiflichkeiten. Hoffa, der 1913 in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines Kohlenminenarbeiters in Indiana geboren worden war und nach dem Tod des Vaters schon als Kind als Liftboy in einem Hotel arbeitete, machte nie ein Hehl aus seiner Abneigung gegen Menschen, die in reiche Verhältnisse hineingeboren worden waren. Bobby hatte während des Treffens Hoffa mit Fragen wie bei den öffentlichen Verhören Dave Beck bombardiert. "Wo bin ich hier?" fragte schließlich Hoffa. "Bei der Inquisition?" "Er war von Anfang an in der Defensive" vertraute Kennedy später einem Freund an, "weil ich aus reichen und er aus armen Verhältnissen kommt. Ist das mein Fehler?"
Konkurrenz mit Liegestütz
Kennedy brachte Hoffa vor den Untersuchungsausschuss, und die gegenseitige Abneigung schlug in tiefen Hass um. Immer wenn Kennedy eine Frage stellte, antwortete Hoffa mit Sätzen wie: "Sie wissen nicht, wovon sie sprechen. Sie wurden ja mit einem Silberlöffel im Mund geboren."
Der Hass nahm mitunter skurrile Züge an: Als Kennedy und sein Team an einem Abend beim Teamster-Hauptquartier vorbeifuhren und durch ein Fenster Hoffa an der Arbeit sahen, befahl Kennedy umzudrehen, um selbst bis spät in die Nacht zu arbeiten. Hoffa lud den "reichen Lümmel" zu einem Boxkampf im Madison Square Garden ein und sagte: "Ich kann fünfzig Liegestütze einhändig. Wie viele können Sie?" Kennedy trainierte darauf, bis er mit jeder Hand 100 Liegestütze ohne Unterbrechung schaffte.
Bei der Gerichtsverhandlung gegen Hoffa im Juni 1959 versuchte der Teamster-Boss seinen Kontrahenten mit dem "bösen Blick" nervös zu machen. Er starrte Kennedy oft eine halbe Stunde lang an und zwinkerte mit einem Auge, wenn immer sich die Blicke der beiden trafen.
Kronzeuge John Cheasty sagte gegen Hoffa aus, obwohl er sich und seine Familie dabei in höchste Gefahr brachte. Sie wurden rund um die Uhr bis ein Jahr nach dem Prozess von FBI-Agenten bewacht, was die damals kleine Tochter Cheastys heute noch als eine nette Bereicherung im Leben der Familie betrachtet. Die Agenten halfen den Kindern bei den Hausaufgaben und sangen mit ihnen Kinderlieder. "Die Lieder habe ich später selbst meinen Kindern vorgesungen", erzählte Cheasty-Miller Reportern nach dem Tod ihres Vaters.
Der Prozess gegen Hoffa nahm eine entscheidende Wende, als Joe Louis in den Gerichtssaal trat und seinen Jugendfreund Hoffa umarmte. Die Geste des Boxweltmeisters und das Image des Angeklagten, trotz möglicher Kontakte zur Mafia und Verfehlungen immer ein offenes Ohr für seine Lastwagenfahrer zu haben, hatte durchaus Wirkung auf das Geschworenengericht, das sich aus acht Schwarzen und vier Weißen zusammensetzte. Hoffa wurde freigesprochen und bemerkte hämisch zu Reportern: "Kennedy war ein grüner Lehrbub. Seine Anklage hielt nicht einmal Wasser!"
Die Publicity, die die Kennedys durch den Untersuchungsausschuss bekamen, verleiteten die republikanischen Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zu einem entscheidenden Fehler: Vor allem Barry Goldwater und Karl Mundt drangen darauf, auch einen demokratischen Gewerkschaftsboss, Walter Reuther, Präsident der United Auto Workers, unter die Lupe zu nehmen. Doch ungleich Dave Becks dickem Bankkonto und Jimmy Hoffas Adressbuch voller Mafia-Mitglieder begnügte sich Reuther mit einem geringen Gehalt und einem bescheidenen Leben. Er war auch kein Kommunist, wie es Goldwater und Mundt gerne gesehen hätten, sondern setzte sich nur vehement für seine Arbeiter ein, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten. Die Kennedys besichtigten die betreffenden Autofabriken, und Robert sagte geschockt: "Ich hätte nicht geglaubt, dass es solche Bedingungen in Amerika noch gibt." John versprach, nach seiner möglichen Wahl zum US-Präsidenten Abhilfe zu schaffen und erwarb sich dadurch erneut Sympathien in der Arbeiterschaft.
John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 in Dallas erschossen. Unter den Klienten des persönlichen Rechtsanwalts von Hoffa war ein Mafiosi, der von Ronald Goldfarb, Untersuchungsrichter im Justizministerium, zitiert wird: "Wir hätte nicht John umbringen sollen. Es hätte Bobby sein müssen!"
Robert F. Kennedy wurde am 5. Juni 1968 nach dem Sieg in den demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen von Kalifornien in Los Angeles erschossen; James R. Hoffa verschwand am 30. Juli 1975 in Michigan spurlos. Seine Leiche wurde nie gefunden. Kronzeuge John C. Cheasty, der auf der Hitliste der Mafia gestanden war, überlebte beide.