Dubiose Firmen treiben ihr Spiel mit dem Konkurs. | Sozialmissbrauch in der Höhe von 4,4 Millionen Euro. | Wien. Die Wiener Bauwirtschaft ist die Hochburg für Schwindelfirmen. Laut Christian Steyrer, Geschäftsführer des Insolvenzentgelt-Fonds (IEF), gibt es in diesem Bereich die meisten Fälle von Sozialbetrug.
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Briefkastenfirmen oder Firmen, die es tatsächlich gar nicht gibt, heimsen Aufträge ein und gehen innerhalb kürzester Zeit in Konkurs, ohne jemals öffentliche Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt zu haben. Dadurch entsteht ein jährlicher Schaden von 800 bis 1000 Millionen Euro. Die Schwindelfirmen prellen aber nicht nur die Sozialversicherungen. Auch im Bereich des Insolvenzentgelts (siehe Wissenskasten) richten sie große Schäden an.
Mit der Auftraggeber-Haftung wurde ein Schritt zur Eindämmung des Sozialversicherungsbetrugs am Bau gemacht. Demnach müssen Generalunternehmer, die einzelne Leistungen von Subunternehmen durchführen lassen, mit 20 Prozent des Werklohns an ihre Subunternehmer dafür haften, dass diese ordnungsgemäß die Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben.
Nur wer seit mindestens drei Jahren aktiv Bauaufträge abwickelt und stets brav die Beiträge an die Sozialversicherung abgeliefert hat, genießt einen Vertrauensvorschuss. Er kann die Aufnahme in die Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen beantragen.
Für Subunternehmer, die auf dieser Liste stehen, haftet der Auftraggeber nicht. Das soll ein Anreiz für Generalunternehmer sein, sich nur seriöser Subfirmen zu bedienen.
Technische Probleme
Obwohl die Auftraggeber-Haftung bereits im Juli 2008 beschlossen wurde, wird sie laut Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer Österreich praktisch noch nicht angewendet. "Die EDV-technische Umstellung bei den Gebietskrankenkassen ist sehr schwierig", erklärt er der "Wiener Zeitung".
Gleitsmann erwartet sich durch die Auftraggeber-Haftung auch einen Rückgang des Sozialmissbrauchs bei Insolvenzentgelt. "Es wird sicher zu einem Nachdenken bei den Generalunternehmen führen, ob man dubiose Subunternehmer überhaupt anstellt."
Angesichts des wachsenden Missbrauchs hat der Insolvenzentgelt-Fonds bereits im Frühjahr 2008 ein eigenes Referat gegründet, das sich um verdächtige Anträge kümmert. Seit Gründung des Referats wurden laut IEF-Geschäftsführer Steyrer bis dato Insolvenzentgelts-Anträge von Arbeitnehmern im stolzen Wert von insgesamt 4,4 Millionen Euro wegen Verdachts auf Sozialmissbrauch abgewiesen. Dass nur etwa zehn Prozent der Abweisungen bei Gericht bekämpft wurden - und davon weniger als ein Drittel erfolglos -, ist für Steyrer ein Indiz, dass die Verdächtigungen in diesen Fällen zu Recht erhoben wurden.
Und wie kommt so ein Verdacht auf? "Wenn uns die Arbeitnehmer zum Beispiel sagen, dass sie ihren Arbeitsvertrag in irgendeinem Kaffeehaus oder auf einer Tankstelle abgeschlossen haben, wird das Sozialmissbrauch-Referat hellhörig", erzählt Steyrer. Es gebe aber auch echte "Stammarbeitnehmer, die von einer Briefkastenfirma zur nächsten wandern". Liegen konkrete Beweise für Betrügereien vor, leitet der IEF den Fall dann auch an die Staatsanwaltschaft weiter.