Durch die massiven Kurseinbrüche verlieren Kryptowährungen nicht nur an Wert, sondern auch an Glaubwürdigkeit. Wie soll es mit Bitcoin, Luna und Co. weitergehen?
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Die Kurse der Kryptowährungen fahren wieder einmal Achterbahn. Einen Totalcrash legte ausgerechnet die vermeintlich stabile Kryptowährung Luna (Terra USD) hin: 99 Prozent Wertverlust innerhalb weniger Tage. Auch andere Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether verlieren massiv an Wert. Wie kann es trotz des Versprechens eines stabilen Krypto-Assets zu einem solchen Crash kommen? Gibt es noch eine Zukunft für Kryptowährungen oder handelt es sich um einen Trend mit Ablaufdatum?
Das Drama mit den Krypto-Assets in Kürze
"Bitcoin hat in den letzten Wochen sehr an Glaubwürdigkeit verloren", sagt Geldpolitikexperte Atanas Pekanov vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Bitcoin, die älteste und wichtigste Digitalwährung, ist wie etliche andere Kryptowährungen massiv eingebrochen. Im Vergleich zum Vorjahreshoch sind Bitcoin und auch Ether nur noch etwa die Hälfte wert.
Den größten Crash am Kryptomarkt legte die Kryptowährung Luna hin. Ein Luna-Coin war statt 80 Dollar innerhalb weniger Tage nur noch rund 0,0001 Dollar wert. Das ist ein spektakulärer Einbruch von mehr als 99 Prozent. Dabei hätte das gar nicht passieren dürfen.
Denn Luna basiert auf einem sogenannten Stablecoin: Terra USD, dem drittgrößten Stablecoin am Markt. Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen wie Bitcoin sollen Stablecoins kaum schwanken, also stabil sein. Das wird durch eine Koppelung an eine gängige Leitwährung wie den Dollar gewährleistet. Soll heißen: Ein Coin sollte normalerweise einen Dollar wert sein. Doch dieses System brach in sich zusammen. Für den Krypto-Experten Beat Weber von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ein "Realitätstest" für das Konstrukt dieses Stablecoins, welcher "gewaltig schief ging".
Panik breitet sich durch das Terra-Luna-Drama nun auch auf den größten Stablecoin, Tether, aus. Befürchtet wird, dass der ganze Kryptomarkt in sich zusammenfallen könnte, wenn auch dieser Stablecoin kollabiert. Die Organisation hinter Tether versucht zu beruhigen und versichert, dass die Funktionsweise nicht mit Terra USD vergleichbar sei. Denn Terra USD ist nur indirekt an den Dollar gebunden. Bei Tether sei der Dollar-Wert durch 1:1-Rücklagen gesichert.
Doch Weber äußert sich dazu kritisch: "Bei Tether gibt es seit Jahren deutliche Hinweise, dass diese 1:1-Deckung mit offizieller Währung nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist." Es sei erstaunlich, wie lange es hier zu keinen Problemen gekommen sei. In der wissenschaftlichen Community gebe es seit Jahren "große, große Fragezeichen" dazu. Optimistische Prognosen zu Stablecoins seien mit Vorsicht zu genießen, warnt der Krypto-Experte der OeNB.
Elon Musk, der Krypto-Dirigent
"Kursexplosionen und Kursstürze gehören zum Alltag bei Krypto-Assets und sind nicht speziell erklärungsbedürftig", sagt Weber. Denn Kryptowährungen sind wie Sammlerobjekte: Wie bei einem Gemälde hängt der Wert ganz davon ab, wie viele Leute daran interessiert sind und an dessen positive Entwicklung glauben. Im Unterschied zu Aktien steht hinter Bitcoin und Co. kein Unternehmen, und daher gibt es für Analysten auch keinen Anker, auf Basis dessen eine Prognose für die Kursentwicklung erstellt werden kann.
Wie banal die Ursachen für Kursschwankungen bei Kryptowährungen sein können, zeigt das Beispiel Elon Musk. Mit einfachen Tweets kann er die ganze Krypto-Szene in Bewegung setzen. Ein Foto seines Hundes Floki mit dem Text "Floki has arrived" reichte aus, um die Kryptowährung "Super Floki" um 132 Prozent in die Höhe zu treiben. Auch als Musk Bitcoin als Zahlungsmittel für Tesla ankündigte beziehungsweise zurückzog, hatte das jeweils Auswirkungen auf den Kurs.
Musk ist Krypto-Dirigent, weil Investoren an sein Image als Trendversteher glauben, und nicht wegen seiner Finanzexpertise. Denn genau darum geht es bei Kryptowährungen: um das den gefühlten Wert und das Vertrauen in ein Asset. Beat Weber spricht deshalb von "Massenpsychologie" beim Handel mit Kryptowährungen.
Wie der Krieg und die Geldpolitik mitspielen
Der Russland-Ukraine-Krieg und die Geldpolitik würden aber auch eine Rolle bei den Kursrückgängen spielen. "Was Tech-Aktien und Krypto-Assets unter Druck gebracht hat, war die Kombination aus Zinsanhebungen, steigender Inflation und steigender Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine", sagt Börsenexpertin Monika Rosen von der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG).
Diese Faktoren hätten zu einer generellen Risikoaversion geführt. Das macht sich auch bei Tech-Aktien, siehe Nasdaq-Index, bemerkbar. Die Bruderschaft zwischen Kryptowährungen und Tech-Aktien ist allerdings neu.
"Für lange Zeit haben Leute in Kryptowährungen als Alternative zu Standardwährungen investiert, weil Kryptowährungen nicht mit Aktienabstürzen korrelieren. Wenn Aktien abstürzen, sollten Kryptowährungen eigentlich stabil bleiben. Jetzt im letzten Monat haben wir genau die umgekehrte Entwicklung gesehen", erklärt Wifo-Ökonom Pekanov. "Die Angst vor einer aggressiven Geldpolitik und Zinserhöhungen hat jetzt nicht nur den Aktienmarkt, sondern auch die Kryptowährungen getroffen", so der Experte.
Rückkoppelungseffekte des Krypto-Absturzes
Die Befürchtung, dass der Krypto-Crash den gesamten Markt in die Tiefe reißen könnte, sei bis jetzt nicht eingetreten. "Bis jetzt sind die Rückkoppelungseffekte überschaubar", sagt Rosen. "Bitcoin hatte selbst beim bisherigen Höchstkurs von rund 70.000 Dollar nur eine Marktkapitalisierung, die in etwa der Hälfte von Apple entspricht. Damit kann es Bitcoin insgesamt bei Weitem noch nicht mit dem Aktienmarkt aufnehmen."
Die Krypto-Erosion müsse man auch im Gesamtlicht betrachten. Bitcoin habe sich zwar mehr als halbiert, aber zeitgleich hat auch eine Korrektur des Nasdaq, also der Tech-Aktien, stattgefunden. Auch das Minus von 12 Prozent des Dow Jones, also der Old-Economy-Aktien, sei noch im Rahmen. "Bitcoin bringt das Fass also nicht zum Überlaufen - zumindest bis jetzt", so Rosen.
Ob der Kurs von Bitcoin auf null zugeht oder wieder in die Höhe schießt, sei eine Glaubensfrage. "Ein bisschen so ein Trend war es sicher, und es mag bei manchen zur Ernüchterung geführt haben. Es erweist sich, dass es eine extrem risikoreiche Anlageklasse ist - und ich glaube, das haben jetzt alle verstanden", sagt Rosen.
Wie geht es mit Kryptowährungen weiter?
Eine Folge der Krypto-Erosion ist der lautere Ruf nach Regulierungen. Es soll Ordnung in den "Wilden Westen" gebracht werden. Dabei stehen neben Konsumentenschutz auch Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung am Plan. Das ist nicht so einfach, denn Kryptowährungen basieren auf dem Prinzip der Dezentralisierung. Es gibt also keinen zentralen Verantwortungsträger, der für Regulierungen adressierbar ist.
Während einige Kryptowährungen als die Zukunft sehen, tun sie andere als wertlos ab. Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, meinte etwa im niederländischen Fernsehen, dass Kryptowährungen ihrer Einschätzung nach nichts wert seien. Auch Bill Gates ist dieser Meinung: Er investiere sein Geld lieber in Dinge, die einen "wertvollen Output" haben.
Um Kryptowährungen Konkurrenz zu machen, schwebt der EU deshalb die Idee eines digitalen Euro vor. Dieser würde sich aber grundlegend von Bitcoin und Co. unterscheiden, da die Zentralbank für den Wert haften würde. Ob der digitale Euro tatsächlich eingeführt wird, ist noch offen.
Eine Zukunft mit Kryptowährungen als alternative Währung? Daran glauben weder Beat Weber noch Atanas Pekanov. "Es kann ein Investitions-Asset sein, mit hohen Risiken, aber eine traditionelle Währung wird es wohl nie sein," meint Wifo-Experte Pekanov.
Ob Kryptowährungen ein vorübergehender Trend sind, sie sich als Asset-Klasse etablieren oder ob sie sich in eine andere Richtung entwickeln - das ist noch offen. Aktuell gehe es vor allem um eines: "Es ist der Kampf von Bitcoin um Anerkennung als Asset-Klasse", sagt Rosen.