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Krypto-Winter

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Das Ende des Bitcoin-Rausches lässt so manche verkatert zurück.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Es ist ein Rausch. Hätte ich vor sieben Jahren um weniger als 100 Euro Bitcoins gekauft, wäre ich jetzt Multimillionär. Dieser und ähnliche Gedanken treiben immer mehr Menschen an, in Bitcoins zu investieren", schrieb der damalige "Wiener Zeitung"-Mitarbeiter Matthias Punz im Dezember 2017. Am 9.12.2017, als sein Text eines Selbstversuchs erschienen ist, lag der Kurs eines Bitcoins bei 12.902,24 Euro, Punz unterzog damals Bitcoin einen Praxistest, kaufte eine Handvoll Bitcoin-Groschen, um damit allerhand zu erwerben, und scheiterte. Sein Fazit in der "Wiener Zeitung": "Die Digitalwährung wird vermutlich nie zu einer echten Währung werden, sie ist als Zahlungsalternative unbrauchbar. Bei einer derart hohen Volatilität kein Wunder."

Doch Anleger ließen sich von Unkenrufen nicht beirren: Am 10. November 2021 war der Kurs der Kryptowährung Bitcoin auf 59.496,15 Euro angestiegen, andere - teils recht seltsame - Cryptocoins schnellten ebenfalls in stratosphärische Kursgefilde.

Doch heuer im Frühling kam der Krypto-Winter (so nennen Krypto-Fans einen Bärenmarkt). Sogar Stablecoin TerraUSD fiel dramatisch, obwohl ein Stablecoin (wie der Name schon sagt) eigentlich eine halbwegs stabile Kryptowährung darstellen sollte. Bis Anfang Juni notierte TerraUSA um die Ein-Dollar-Marke, heute ist ein TerraUSD gerade einmal 2 Cent wert.

Und am Dienstag wurde der Gründer der insolventen Kryptobörse FTX, der 30-jährige Sam Bankman-Fried, auf den Bahamas festgenommen, weitere Kursstürze am Kryptomarkt sind zu erwarten. Seit Jahren verweisen Kritiker auf die Parallelen zwischen dem Kryptomarkt und der Tulpenzwiebel-Manie in Holland, die 1637 abrupt endete. Die Zwiebel-Spekulanten haben Unsummen für Tulpenzwiebel ausgegeben und nach dem Platzen der Blase fast ihr ganzes Geld verloren. Aber immerhin konnten sich die barocken Tulpenzwiebel-Spekulanten an den prächtigen Blüten ihrer Pflanzen erfreuen, die Kryptowährungsspekulanten haben außer ihren Verlusten nichts in der Hand. Viel zu spät werden nun Rufe nach Marktregulierung laut, dabei rekrutieren sich die Hardcore-Fans in der Kryptoszene aus radikalliberalen Friedrich-August-von-Hayek-Jüngern, die dem Staat nicht über den Weg trauen und Notenbanken für Teufelszeug halten.

Die Lehren: Kryptowährungen sind keine Währungen, sondern haben eher Ähnlichkeit mit Pyramidenspielen. Märkte brauchen Regulierung, Gier und der Traum vom schnellen Geld führen oft genug dazu, dass man sein Geld schnell verliert. So manche Bitcoin-Anleger haben das kleine Investoren-Einmaleins ignoriert: Je höher der potenzielle Kurs-Gewinn, desto höher ist auch das Anlagerisiko.