Wie es nach dem Crash der Kryptobörse FTX weitergeht.
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Heimlich wurden an der Kryptobörse FTX Kundeneinlagen im Volumen von zehn Milliarden Dollar (9,61 Milliarden Euro) verschoben. Bis vergangenen Freitag. Als die Bilanztricksereien bekannt wurden, kam es zu einem Ansturm von Kundenabhebungen, die zur Pleite des Finanzplatzes führten.
Einmal mehr stand die Kryptowelt in den Schlagzeilen. Ist das Vertrauen damit endgültig verspielt? Nein, sagen die drei österreichischen Kryptopioniere Paul Pöltner, Andreas Freitag und Jonas Jünger und erklären im Gespräch ihre Gründe:
"Wiener Zeitung:" Die Kryptobörse FTX legte eine spektakuläre Pleite hin. Wie konnte das passieren?
Paul Pöltner: Es ist noch vieles im Dunkeln. Fest steht: Krypto-Assets per se trifft keine Schuld, sondern man muss sich immer den konkreten Fall anschauen. Es ist dasselbe, wie bei Lehman Brothers 2008 als die Banker Amok liefen oder bei dem Fall Bernard Madoff, der im großen Stil mit Aktien betrogen hatte. Das waren alles Fälle für das Strafrecht, so wie jetzt FTX.
Vonseiten der Kryptobranche werden nun Rufe nach mehr Sicherheit und Regulierung laut. Das ist ungewöhnlich für eine Branche, für die Regulierung bis dahin ein rotes Tuch war.
Andreas Freitag: Ganz im Gegenteil. Für uns kann es nicht schnell genug gehen, dass richtig reguliert wird. Der Kryptomarkt braucht mehr Sicherheit. Es wird sich früher oder später eine Struktur ergeben, die an ein herkömmliches Finanzsystem erinnert.
Das sind ja ganz neue Töne . . .
Freitag: Man muss unterscheiden, was international und was in Österreich passiert. Österreichische Unternehmen sind schon jetzt konzessioniert, beaufsichtigt, und es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass man den Anforderungen entsprechen muss.
Jonas Jünger: Unser allererster Schritt als Unternehmen führte uns zum Regulator, der Finanzmarktaufsicht. Wir wurden registriert und bekamen die Genehmigung. Wir werden diesen Regulatoren gerecht und das wollen wir auch. Die Gesetze machen Sinn, sie gelten für Banken wie für uns und wir halten uns daran, das ist gar keine Frage.
Die Finanzmarktaufsicht ist sehr skeptisch, was Kryptowährungen betrifft. Wie könnte die Akzeptanz gesteigert werden?
Pöltner: Kryptowährungen ermöglichen neue Formen der Zusammenarbeit. Es geht um programmierbares Geld, eine Weiterentwicklung von bisherigen Geldgeschäften. Der große Vorteil besteht in der Verknüpfung der Transfers an Bedingungen. Man investiert etwa in ein Unternehmen, das Geld wird aber nur bezahlt, wenn die Summe x erreicht wird. Wird die Summe nicht erreicht, geht es automatisch wieder zurücküberwiesen. Kryptowährungen sind nicht aufzuhalten.
Jünger: Auch die Europäische Zentralbank überlegt, wie Blockchain genutzt werden kann, um den Euro zu digitalisieren. Das zeigt doch, dass die Technologie, wahnsinnig spannend ist.
Im ersten Quartal soll die neue MiCA (Markets in Krypto-Assets)-Verordnung auf EU-Ebene beschlossen werden. Wie stehen Sie dazu?
Pöltner: In Europa gibt es keinen nichtregulierten Bereich, egal was man tut, man ist immer reguliert. Ob ich ein Produkt verkaufe, dann bin ich in einer Produkthaftung drinnen, usw. MiCA ist am Weg und das ist gut so. Wir müssen in Europa schauen, dass wir nicht den Anschluss verpassen. Sonst sind wir abhängig von Ländern, wo es möglich ist. Regulation hilft zudem eine gewisse Vertrauensbasis zu schaffen. Es soll aber nicht so sein, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, neue Geschäftsmodelle aufzubauen und auszuprobieren.
Wie weit soll die Regulierung gehen?
Jünger: Für uns wäre wichtig, dass alle im Markt nach den gleichen Regeln spielen. MiCA ist daher wunderbar, weil es europäische Standards setzt. Uns kann es nicht schnell genug gehen, dass die Verordnung kommt. Das ist gut für den ganzen Markt.
Kryptowährungen werden oftmals für kriminelle Zwecke wie etwa für Geldwäsche missbraucht. Warum ist die Branche so anfällig?
Pöltner: Die größte Geldwäsche passiert am meisten in Fiat-Währungen, also in Euro, Dollar usw. Die Blockchain bietet hundertprozentige Transparenz. Jede Transaktion, die stattfindet, kann nachvollzogen werden. Nur weil es eine neue technische Möglichkeit gibt, heißt es nicht per se, dass es nur für die Schattenwirtschaft genutzt wird. Da muss man wieder unterscheiden.
Jünger: Für uns als Kryptoanbieter gelten die gleichen Standards wie für jede Bank. Wir verhalten uns nach dem Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, Transaktionsmonitoring ist uns wichtig. Unseren Kunden soll kein Risiko ausgesetzt werden.
Auch sein Passwort sollte man nicht verlieren, der Zugang auf das Konto ist dann weg.
Freitag: Jede Kryptowährung funktioniert mit öffentlichen und privaten Schlüsseln. Es wird ein Schlüsselbar generiert, das ist eine lange Zahlenwurst. Und auf die muss man aufpassen. Wenn man die verliert, hat man keinen Zugriff mehr auf seine Kryptowährungen, es kann kein neues Passwort generiert werden. Der Schlüssel wird erzeugt, wenn man 12 Wörter in einer bestimmten Kombination angibt. Für einen Privaten ist das sehr schwierig, denn die Zahlen müssen richtig eingegeben werden. Es gibt aber Handelsbörsen, auf der man ein Konto errichten kann, wie bei einer herkömmlichen Bank. Die kümmern sich auch um den Zugang. Die Kunden müssen authentifiziert werden, anders als bei den Banken ist es aber egal, wieviel man verdient.
Pöltner: Ich sehe eine App wie Bargeld. Man kann ein paar hundert Euro in der Tasche haben, ich würde aber nicht große Beträge auf die App legen. Da kann viel schief gehen. Das kann ein Softwarebug sein, beim nächsten Update findet man die Keys nicht.
Freitag: Da geht es um private Risikoabschätzung, manche Menschen haben viel Bargeld in einem Tresor im Keller, manche Menschen, so wie ich, sind schon nervös, wenn 1000 Euro daheim herumliegen.
Gibt es Einlagensicherungen für Kryptowährungen?
Jünger: Das Einlagensicherungsgesetz gilt nicht für Kryptowährungen. Wir lösen das durch eine externe Versicherung und nicht durch den Staat.
Pöltner: Die Frage ist auch, warum es Einlagensicherungen gibt. Die Banken bekommen Geld und reinvestieren es. Wenn das Geschäft nicht aufgeht, dann gibt es die Einlagensicherung, die einen Teil des Geldes ersetzt.
Bitcoin, Ethereum und Co sind großen Schwankungen ausgesetzt. Das Geld kann über Nacht einen Großteil seines Wertes verlieren. Was sagen Sie dazu?
Jünger: Hochrisiko-Investitionen wie Kryptowährungen sollten nur einen kleinen Teil des Portfolios ausmachen, vielleicht höchstens fünf oder zehn Prozent bei den allermeisten Investoren. Und bei dieser Art der Assets sollte man wirklich nur anlegen, wenn man langfristig investieren will und kann. Langfristig investieren, nicht spekulieren.
Welche Erkenntnisse ziehen sie aus dem FTX-Crash für die Zukunft?
Pöltner: Es gibt zwei Erkenntnisse für mich. Zum einen muss man sich in einem neuen aufstrebenden Markt genau die Player anschauen und wie sie ihr Geschäft aufsetzen. Zum anderen unterliegen die meisten europäischen Unternehmen höheren Anforderungen als am Weltmarkt. Das ist für den Kunden mit zum Teil mit aufwendigeren Registrationsprozessen verbunden. Dafür hat man auch wesentlich mehr Sicherheit. Die Technologie wird sich durchsetzen, auch wenn jetzt eine Bereinigung am Markt erfolgt.