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Kuba '62, nur komplizierter

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die - vorläufige - Vermeidung einer Intervention in Syrien ist zu begrüßen. Eine diplomatische Lösung, wenn sie zu einem Ergebnis führt, muss Vorrang haben. Auch dann, wenn die führende Weltmacht und, das wird oft vergessen, Schutzmacht Europas ihr Gesicht zu verlieren droht?

Ja, aber der Preis ist jenseits der Schmerzgrenze. Immerhin steht in den Sternen, ob es Assad mit seinem Angebot ernst meint. Und falls tatsächlich, wie diese Aufgabe inmitten eines blutigen Bürgerkriegs zu bewältigen wäre. Ohne Bodentruppen dürfte das schwerfallen. Und "no boots on the ground" ist schließlich das Versprechen Barack Obamas an seine kriegsmüde Nation.

Sollte das syrische Abenteuer Obamas am Ende gut ausgehen, hat der Konflikt das Zeug, als kleinere Ausgabe der Kuba-Krise in die Geschichte des 21. Jahrhunderts einzugehen. John F. Kennedy, Obamas erklärtes Vorbild, begründete mit der Vermeidung eines Atomkriegs 1962 seinen Ruf als großer Präsident. Obama könnte 51 Jahre später durch harte Drohungen und Pokerspiel immerhin einen regionalen Flächenbrand eindämmen und im Nachhinein seinen Friedensnobelpreis rechtfertigen.

Auch in der Kuba-Krise stand die Glaubwürdigkeit der USA auf dem Spiel. Damals waren es Nuklearwaffen nur 165 Kilometer vor Florida, heute geht es darum, dass der Einsatz von Chemiewaffen nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. 1962 prägten Fehlkalkulationen und Missverständnisse in Bezug auf die tatsächlichen Absichten des Gegners Beginn und Verlauf der schwerwiegendsten Konfrontation zwischen beiden Supermächten im Kalten Krieg.

Die Folgen eines möglichen Atomkriegs waren damals ungleich höher, als es die dennoch beträchtlichen Risiken einer weiteren Eskalation in Nahost durch einen direkten US-Angriff wären. Dafür stehen einander nicht länger nur zwei Akteure mit überschaubaren Interessen gegenüber. In Syrien, in der gesamten Region ist die Lage ungleich verworrener, komplizierter und daher auch unberechenbarer. Und noch etwas ist anders: Kennedy konnte sich der Unterstützung zu Hause sicher sein, Obama seht innenpolitisch alleine da.

Scheitert Obama, ist seine Präsidentschaft verloren. Und kein Nachfolger wird so schnell noch einmal den Kongress einbinden, sondern schnell losschlagen.

Willkommen in der Welt des 21. Jahrhunderts.