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Kuba feiert seinen Kommunismus

Von WZ-Korrespondentin Susann Kreutzmann

Politik

Jugend sehnt sich nach mehr Freiheit. | USA wollen neue Impulse setzen. | Havanna. Eine der jüngsten Eintragungen von Kubas wohl bekanntester Bloggerin Yoani Sánchez nennt sich "Gebet für ein Kabel". Darüber hat die 33-Jährige das Foto eines überdimensionalen Druckers gestellt, des ersten, den sie in Havannas Geschäften entdeckt hat. Der Beitrag auf ihrer Seite Generation Y ist das Plädoyer für ein "virtuelles" Kuba, in dem schon die Kinder in der Grundschule Computer und Internet entdecken können.


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"Wir wünschen uns nichts weiter als dieses kleine Kabel, das uns verbindet", schreibt Sánchez. Immer noch ist das Internet in Kuba für Privatpersonen tabu. Nur Regierungsbeamte und Wissenschaftler dürfen auf ausgewählten Seiten surfen.

Sánchez ist die originellste Stimme von Kubas kleiner Internet-Community. Seit April 2007 beschreibt sie in ihrem mehrfach ausgezeichneten Blog den schwierigen kubanischen Alltag, die politischen Widersprüche und die Hoffnungen der jungen Generation. "Ich bin keine Dissidentin, mehr eine kritische Bürgerin", sagt die studierte Philologin. Da auch sie in ihrer Plattenbauwohnung in Havanna keinen Internetanschluss hat, muss Sánchez für ihre Einträge inkognito in ein Internet-Cafe eines nahe gelegenen Hotels gehen. Dort ist das "virtuelle" Kuba schon Wirklichkeit: Aber nur für Dollar-Touristen.

Auf allen öffentlichen Plätzen in Havanna weht die Staatsflagge. Unzählige Plakate zeigen das berühmte Bild des kubanischen Fotografen Alberto Korda, auf dem Ché Guevara verträumt in die Zukunft schaut. Überall prangen Schilder mit den alten Parolen wie "Der Sieg war, ist und wird für immer unser sein" und "Hasta la victoria siempre". Keine Frage, die Karibikinsel rüstet sich für ein besonderes Fest: die Feierlichkeiten des 50. Jahrestages der Revolution, die trotz Wirtschaftskrise überall im Land ausgiebig begangen werden.

Kuba marschiert inungewisse Zukunft

Am 2. Dezember 1956 landen 82 Kämpfer unter der Führung des jungen Anwalts Fidel Castro aus dem mexikanischen Exil kommend im Südosten Kubas. Zwei Jahre Kampf gegen den verhassten Diktator Fulgencio Batista schließen sich an. Am 31. Dezember 1958 gewinnen die Rebellen die entscheidende Schlacht, einen Tag später flieht Batista. Am 8. Januar 1959 marschieren die Revolutionäre unter dem Jubel der Bevölkerung in Havanna ein. Die Revolution hat gesiegt. 50 Jahre wechselvolle Geschichte folgen.

Doch allen Kritikern zum Trotz brachte bisher nichts die sozialistische Insel zu Fall, nicht die russisch-amerikanische Raketenkrise, nicht das Wirtschaftsembargo und auch nicht der Zusammenbruch der sozialistischen Welt. Auch wenn heute China und Venezuela zu den engsten Handelspartnern zählen, ist die "Spezialperiode" (período especial) immer noch nicht überwunden. Inzwischen gibt es zwar Bauernmärkte, doch Obst, Gemüse und Fleisch sind teuer. Benzin ist knapp und westliche Güter sind in den ansonsten faden Schaufenstern der Staatsläden die Ausnahme. Leisten können sich das sowieso nur wenige.

Die Generation der ewigen Revolutionäre wird bald aussterben. Viele fragen sich, was bleibt, was dann kommt. Sind es die Erinnerungen an die Kämpfe in der Sierra Maestra, welche die Karibikinsel zusammenhalten? Und kann man es der Jugend verdenken, wenn sie sich als unpolitisch beschreibt, wenn sie das stundenlange Warten auf Milch oder Eier als erniedrigend empfindet. Die häufigste Antwort, wenn sie im Bekanntenkreis nach Zukunftsplänen frage, sei Ich will weg von hier', schreibt die Bloggerin Sáchez verbittert. Viele hätten erkannt, "Kuba ist kein Land, um Träume zu realisieren".

Im Sommer 2006 zog sich der schwerkranke "Máximo Líder" Fidel Castro zurück. Die vorsichtige Öffnungspolitik seines Bruders Raúl wird vor allem im Westen mit Interesse beobachtet. Erstmals können Kubaner ein Mobiltelefon erwerben oder in einem Touristenhotel übernachten. Sogar die Veröffentlichung von kritischen Leserbriefen in der Parteizeitung "Granma" wird als Schritt zur politischen Wende wahrgenommen. Wie wenig sich aber tatsächlich geändert hat, zeigt der immer gleiche Jubeltenor in den kubanischen Medien.

Auch über eine Amnestie der 219 politischen Gefangenen hat sich Raúl Castro bisher nicht geäußert. "Wie wenig haben wir uns 2008 bewegt", schreibt Sánchez enttäuscht in ihrem Blog. "Welche lächerlichen Schritte auf der Stelle hat es gegeben." Auch Laura Pollán, die sich für die Freilassung der politischen Gefangenen einsetzt, kann kein Anzeichen für einen demokratischen Wandel erkennen. Ihr Mann Héctor Maseda, ein kritischer Journalist, ist zu 20 Jahren Haft verurteilt. "Alles nur Kosmetik", sagt sie über die Reformen von Raúl Castro.

Hoffnung auf Endeder Embargopolitik

Mehr als eine Million Kubaner leben in den Vereinigten Staaten und bescherten Kuba jährlich Einkünfte von rund einer Milliarde US-Dollar. Nach bisherigem Recht dürfen sie ihre Familien auf der Karibikinsel nur alle drei Jahre und dann auch nur für höchstens zwei Wochen besuchen. Diese und auch andere Restriktionen, so hat Barack Obama im Wahlkampf versprochen, sollen aufgehoben werden.

Als besonders heikel gilt jedoch die Frage des seit 1962 bestehenden Embargos gegen die Karibikinsel. Unter der Präsidentschaft von Bill Clinton gab es zwar Erleichterungen, über eine Abschaffung wurde aber nie ernsthaft diskutiert. Dafür sei es nun Zeit, meinen politische Experten. Obama hat die Stimmen der konservativen Exil-Kubaner in Florida nicht gebraucht, um das Weiße Haus zu erobern, gibt der amerikanische Politologe und Kuba-Experte, Daniel Erikson, zu Bedenken. Er könne deshalb an eine Politik für Kuba und nicht nur für den Süden Floridas denken.

Anders als sein Bruder gilt der 77-jährige Raúl Castro als Pragmatiker. Er weiß: Nur wenn er das Land ökonomisch stabilisiert, kann er die immer lauter werdenden Rufe nach politischen Reformen unterdrücken. Deshalb sucht er die Nähe zu den lateinamerikanischen Ländern. Auf seiner ersten Auslandsreise im Dezember besuchte Castro Kubas engsten Verbündeten Venezuela. Wenige Tage später auf dem Mercosur-Gipfel in Brasilien haben die lateinamerikanischen Staaten den neu gewählten amerikanischen Präsidenten Obama gebeten, die Embargopolitik gegen Kuba zu beenden. Offiziell wurde Kuba auch in den Kreis der Rio-Gruppe aufgenommen, einem regionalen Bündnis aus 19 lateinamerikanischen Staaten. Im Sommer hatte schon die Europäische Union auf Drängen von Spanien die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba beschlossen.