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Kuchen, Brösel und Politik

Von Arian Faal

Politik

Keine Ruhe nach Anti-Hofer-Statement von Café-Besitzerin.


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Besitzerin Eva Trimmel bereut inzwischen ihre Aktion.
© Bubu Dujmic

Wien. Es ist 13.15 Uhr. Die Sonne scheint und das kleine Café "Fett+Zucker" im 2. Bezirk ist bereits gut gefüllt, obwohl es erst seit 15 Minuten geöffnet hat. Die überwiegend weiblichen Gäste an den rund zehn kleinen Tischchen und dazugehörigen gemütlichen Sitzgelegenheiten scheinen sich wohlzufühlen. Auf den ersten Blick ist es also ein ganz normales Café, doch eben nur auf den ersten: Denn es herrscht eine trügerische Ruhe nach stürmischen Tagen im derzeit umstrittensten Lokal der Stadt, das sogar kurzfristig seine Pforten schließen musste.<p>Die Vorgeschichte: "Wenn du bei diesen 35 Prozent dabei bist, geh doch bitte einfach weiter. Danke." Mit diesem mit Kreide verfassten Text auf einer Tafel wollte die Besitzerin des Cafés, Eva Maria Trimmel, am Dienstag ihren Unmut über den ersten Wahlgang bei der Bundespräsidenten-Wahl öffentlich kundtun. Sie forderte die Wähler des freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer auf, ihr Lokal zu meiden. Das Schild stellte sie auf die Straße. Hofer erhielt am vergangenen Sonntag rund 35 Prozent der Stimmen und ist somit in der Stichwahl mit Alexander van der Bellen.

<p>Zudem fotografierte die 41-jährige Wirtin die Tafel und stellte sie auf die Facebook-Seite des Cafés. Die Kommentare im Internet spalteten die Leser in zwei Lager: Die einen fanden die Aktion super und lobten sie, die anderen verwiesen auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die rassistische Verfolgung der Juden. Binnen kürzester Zeit berichteten Dutzende soziale und klassische Medien. Was dann folgte, war ein Mega-Shitstorm, Drohungen, ein Gast, der nicht bezahlte und die Toilette verstopfte und eine Klage der FPÖ.<p>Viele der FPÖ kritisch gegenüberstehenden Personen warfen der Besitzerin sogar vor, Hofer damit mehrere Prozentpunkte zugespielt zu haben, da jetzt eine "jetzt erst Recht-Mentalität" wie 1986 beim umstrittenen Kandidaten Kurt Waldheim einsetzen könnte.<p>Die Drohungen und der Wirbel führten dazu, dass das Lokal sogar kurzfristig zusperren musste. Nun ist die Facebook-Seite deaktiviert und Freunde der Gastronomin helfen mit, das Lokal rund um die Uhr zu bewachen. Dafür gibt es seit wenigen Stunden eine neue Facebook-Seite der "Supporter des Fett+Zucker", die sich gegen die "Hetze" wehren wollen.<p>Die Besitzerin bereut ihre waghalsige Aktion mittlerweile und hatte in dieser Woche Angst um ihr Leben. In Interviews gab sie an, das Ausmaß der Reaktionen unterschätzt zu haben. Was ihr nun zusätzlich blühen könnte, ist nicht nur die Fortführung der emotionalen Debatte, sondern auch noch ein gerichtliches Nachspiel.<p>

Besitzerin drohen bis zu zwei Jahre Haft

<p>FPÖ-Landesparteisprecher Toni Mahdalik sprach von "faschistoiden Methoden gegen politisch Andersdenkende" und hat bereits am Mittwoch eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft "wegen des Verdachts auf Verletzung der Menschenwürde und Verächtlichmachung beziehungsweise Herabsetzung einer Wählergruppe aufgrund ihrer Weltanschauung" eingebracht.<p>Bis zu zwei Jahre Haft drohen der Kaffeehausbesitzerin für den Fall, dass es zu einer diesbezüglichen Verurteilung kommt. Mittlerweile hat sich auch der indirekt Angesprochene, Norbert Hofer, geäußert. Bei einem Auftritt sagte er zu dem Statement des Kaffees: "Ich möchte vermeiden (...), dass in diesem Wahlkampf, wo zwei Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Geschichte aufeinanderstoßen, die Leute glauben, dass es zu einer Spaltung kommen muss. Das ist unsinnig", sagte er. Er habe beispielsweise gehört, dass es Kaffeehausbesitzer gibt, die freiheitliche Wähler nicht hineinlassen. "So etwas hatten wir schon einmal, das brauchen wird nicht."<p>Doch von all dem merkt man an diesem Freitag fast nichts mehr. Als eine Stammkundin die Kellnerin fragt, wie es die letzten Tage gelaufen sei, meint diese nur: "Ich war gestern nicht da, aber die Tage waren anstrengend". Den Medienvertretern verweigert die Kellnerin jeglichen Kommentar. "Wir äußern uns nicht mehr dazu".<p>Und auf die Frage, ob das Café in den kommenden Tagen offen hat, meint sie nur kurz angebunden: "Wahrscheinlich schon". Stammgäste wollen dem Café jedenfalls die Treue halten.<p>Die "Wiener Zeitung" befragte am Freitagnachmittag die Anrainer und die meisten Menschen in der Umgebung, gleich welcher politischen Ausrichtung, sprachen von einer "dummen Aktion". Ein Geschäftsmann in der Hollandstraße meinte, es müsse einem normaldenkenden Menschen klar sein, dass solch eine Provokation Reaktionen hervorrufen würde.

Fett+Zucker
Überall riecht es nach frischen, selbstgebackenen Kuchenvariationen. Ein eingerahmtes Schild über der Schank verweist auf die Offenheit des Lokals: "Im gay but I really don’t Iike rainbows" ("Ich bin schwul, aber ich mag keine Regenbögen").
Als Neukunde muss man sich erst an die Reglements des Hauses gewöhnen: "Frechheit, jetzt warte ich schon 10 Minuten hier am Tisch und niemand kommt zu mir, um meine Bestellung aufzunehmen. Bitte an der Bar bestellen, wir bringen die Bestellung an den Tisch", heißt es in der Speisekarte. Rezepte verrät man auch nicht.
Übrigens sind neben den Hofer-Wählern auch keine Bankomat- und keine Kreditkartenzahlungen erwünscht.