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Kühler Auftakt für EU-Ratsvorsitz

Von Wolfgang Kuhn

Politik

Auf der Schladminger Planai ging die Staffelübergabe des EU-Ratsvorsitzes über die Bühne.


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Schladming. Über allen Gipfeln ist Unruh. Zumindest merkte man dem Ennstal aufgrund des Sicherheitsaufgebots eine gewisse Anspannung an: Schon in Liezen waren gut sichtbar Polizeifahrzeuge postiert, die Präsenz in Schladming und auf der Planai war unübersehbar. Polizisten mit Maschinengewehren postierten neben den freundlichen Damen des "Herzlichkeitsteams", um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Und das, obwohl der Andrang doch hinter den Erwartungen zurück geblieben zu sein schien: Rechnete man zunächst mit 7.000 "Gipfelstürmern" und mehr, waren es beim Eintreffen der Spitzenpolitiker dann doch einige hundert EU-Anhänger (und Gegner), die ihnen ihre Aufwartung machten. Das dürfte auch mit dem Wetter zu tun gehabt haben: In der Nacht hatte es in Schladming geregnet, und ein kühler Bergwind sorgte dafür, dass die Begeisterung nicht zu überschäumend wurde. Und so penibel das Drehbuch für den Auftakt von Österreichs EU-Ratsvorsitz auch ausgearbeitet worden war, so ganz klappte es dann doch nicht.

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Die "Staffelübergabe" beim "Gipfeltreffen"

Das lag zunächst an Bulgariens Ministerpräsidenten Bojko Borissow, der die Staffelübergabe des EU-Ratsvorsitzes an Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz vornehmen sollte - und sich verkehrsbedingt prompt verspätete. Zusammen mit Ratspräsident Donald Tusk fuhr das Trio schließlich in einer EU-Gondel auf den Gipfel der Planai, wo es von einem Harmonikaspieler zu den Klängen der "Lustigen Holzhackerbuam" begrüßt wurde. Wenig rustikal ging es anschließend über einen "EU-Trail" hinab in die Schafsalm, wobei die Wanderung in diesem Fall einem fünfminütigen Fußmarsch gleichkam. Mehr wäre allerdings schwierig gewesen, da Fans von Bundeskanzler Kurz jede Gelegenheit nützten, um vielleicht doch noch an ein Selfie mit ihrem Idol zu kommen. "Ich bin extra aus Bayern angereist, um Sebastian einmal die Hand zu geben", sagte beispielsweise ein Fan aus dem Münchner Umland. Sichtlich zufrieden beobachtete auch Schladmings ÖVP Bürgermeister Jürgen Winter das Geschehen: "Es gibt nur alle zehn bis 15 Jahre die Möglichkeit eines solchen Fests. Die Freude ist natürlich riesig, wir können so auch abseits des Sports auf unsere Tourismusdestination aufmerksam machen."

"Gegen ein Europa, das tötet"

Einer ließ Schladming allerdings links liegen: Vizekanzler HC Strache war zwar laut Programm als Gast angekündigt, zog es jedoch vor, über Facebook Austro-türkischen Erdogan-Wählern die Rückkehr in die Türkei zu empfehlen. Dafür verpasste er, wie Borissow, Tusk und Kurz nach einem Arbeitsfrühstück bei Wind und zehn Grad Celsius schließlich die Staffelübergabe vornahmen. Hinter Holzpflöcken und Mikrofonständern begrüßte Kurz zunächst seine Gäste und ging sogleich in medias res: "Das ist eine große Verantwortung, aber auch eine große Chance für Europa." Als Herausforderungen nannte er in seiner kurzen Ansprache die Spannungen mit Russland und den Austritt Großbritanniens: "Wir wollen die Ratspräsidentschaft dazu nützen, um Brückenbauer zu sein, Spannungen abzubauen, sicherzustellen, dass die Europäische Union eine starke Union ist."

Ob Tusks Deutschkenntnisse ausreichten, die Botschaft "Gegen ein Europa, das tötet" zu verstehen, ist nicht bekannt.
© Wolfgang Kuhn

Borissow - der weder englisch noch deutsch spricht - stärkte ihm den Rücken und bot Kurz die Unterstützung Bulgariens an. Tusk hingegen begrüßte die Gäste sogleich mit einem kernigen "Grüß Gott" - eine Steilvorlage, die einige Demonstranten im Hintergrund dankbar annahmen. Ob Tusks Deutschkenntnisse ausreichten, die Botschaft "Gegen ein Europa, das tötet" zu verstehen, ist nicht bekannt - prophylaktisch bedachte er die Störenfriede jedoch mit einigen grimmigen Blicken. Inhaltlich wies er in seiner Ansprache darauf hin, dass Österreich kulturell wie politisch im Herzen Europas gelegen sei. Er vertraue darauf, dass Kurz ein Gefühl dafür habe, wie man als Brückenbauer erfolgreich sein kann - was in der Vergangenheit von etlichen EU-Mitgliedern mitunter angezweifelt wurde.

Gipfebuch und Schnaps

Tusk hingegen lobte Österreichs Vorsitz-Motto "Ein Europa, das schützt" mit den Worten, dass es sich um ein uraltes, menschliches Bedürfnis handle, bei dem es nicht um Fremdenfeindlichkeit gehe. Angesichts der aktuellen Migrationsdebatte forderte er, dass die Politik das Recht durchsetzen und die Außengrenzen schützen müsse. "Es braucht Stabilität statt Instabilität, Sicherheit statt eines Mangels an Sicherheit", sagte er, während Drohnen für Sicherheitsaufnahmen über seinen Kopf kreisten. "Ein guter Nachbar ist besser als ein entfernter Freund, speziell in diesen Tagen, in denen wir nicht allzu viele ferne Freunde haben", spielte Tusk schließlich auf die Beziehungen zu den USA an. Ob Österreich das richten kann? "Ich verlasse mich auf dich, Sebastian", so der EU-Ratspräsident. "Alles Gute, Sebastian", demonstrierte Tusk zum Schluss noch einmal seine Deutschkenntnisse.

Anschließend ging es zurück zur Bergstation, wo sich Kurz, Tusk und Borissow in das Gipfelbuch eintrugen. Kurz verabschiedete seine ausländischen Gäste gerade noch rechtzeitig, bevor diesen ein Schnaps aus einer nahen Berghütte aufgezwungen werden konnte. In der allgemeinen Aufbruchsstimmung trudelten dann weitere Minister und die steirische Spitzenpolitik unter Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) ein. Der große Rummel war jedoch vorbei - stattdessen stellten sich die Besucher um die Picknicksäcke mit "regionalen Köstlichkeiten" an. Inhalt: Unter anderem Müsliriegel und Manner-Schnitten.