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Kühler Kopf für den Krieg gegen Terror

Von Daniel Jahn

Politik

Washington - In einer schwierigeren Stunde hätte Richard Myers sein neues Amt wohl kaum antreten können. Seit Montag ist der 59-Jährige neuer Generalstabschef der US-Streitkräfte und als oberster Offizier des Landes militärisch hauptverantwortlich für die Operationen gegen den Terrorismus.


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Nur zweieinhalb Wochen vor den Anschlägen von New York und Washington war Myers von Präsident Bush für seinen neuen Posten nominiert worden. Da konnte er nicht ahnen, was auf ihn zukam. Zwei Tage nach den Anschlägen sagte er in einer Anhörung des Senats: "Was mich in diesem Job nachts wachhalten wird, sind die Dinge, über die wir nicht nachgedacht haben. Wahrscheinlich warten noch mehr Überraschungen auf uns."

Myers hatte sich eigentlich als Spezialist für die Raketenabwehr für den neuen Job qualifiziert. Seine Hauptaufgabe sollte es sein, den Aufbau des umstrittenen Raketenabwehrschilds NMD voranzutreiben. Seit den Anschlägen vom 11. September ist das Projekt National Missile Defense allerdings in den Hintergrund gerückt. Myers wird seine ganzen Energien vorerst auf den Kampf gegen den Terrorismus richten müssen.

Eine Schlüsselrolle in diesem Kampf werden voraussichtlich die Elitetruppen spielen. Ausgerechnet der bisherige Generalstabschef Henry Shelton ist ein Experte für diese Sonderkommandos. Möglich ist jedoch, dass Shelton seinem Nachfolger beratend zur Seite stehen wird. Myers und Shelton kennen sich gut. Myers war seit März 2000 Sheltons Stellvertreter im Generalstab.

Der neue oberste Militär war von Präsident Bush "für einen anderen Krieg ausgesucht worden, als der, in dem wir stecken", sagt Michael O'Hanlon von der Brookings Institution, einer Denkfabrik in Washington. Myers ist kein Experte im Bodenkampf, er machte seine Karriere bei der Luftwaffe und spezialisierte sich auf weltraumgestützte Abwehrsysteme. Außerdem ist er ein Ostasien- und kein Afghanistan-Experte.

Ein Schlüsselerlebnis für seine spätere Laufbahn soll der aus Kansas City stammende Myers als Kind gehabt haben: Er beobachtete einen Flugzeugabsturz und hatte danach schreckliche Angst vor der Fliegerei. Um damit fertig zu werden, drängten ihn seine Eltern, regelmäßig Flugzeuge bei Start und Landung zu beobachten. Myers entwickelte sich daraufhin zu einem regelrechten Flugzeug-Freak. Nach dem Studium wurde er Pilot bei der Luftwaffe. Im Laufe von mehr als 30 Jahren arbeitete sich Myers allmählich in der militärischen Hierarchie nach oben. Von 1993 bis 1998 war er in Asien im Einsatz, zunächst als Oberkommandeur der US-Truppen in Japan, dann als Chef der Luftwaffe im Pazifik. Vor seinem Eintritt in den Generalstab leitete er das Nordamerikanische Kommando für die Luftraum-Verteidigung (NORAD) sowie das US-Weltraumkommando mit Sitz in Colorado. Sein auf diesen Posten entwickeltes Know-how passte perfekt zu den Prioritäten, die Bush und sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei Amtsantritt gesetzt hatten: Raketenschild und Aufrüstung im Weltraum.

Diese Prioritätenliste ist zwar mit dem 11. September hinfällig geworden. Gleichwohl sind Myers' bisherige Erfahrungen nicht völlig unbrauchbar. Die NORAD-Jets seines früheren Kommandopostens patrouillieren derzeit den Himmel über New York und Washington, um mögliche weitere Anschläge zu verhindern. Ferner beschäftigte sich Myers mit dem Schutz von Computern gegen Hacker - ein möglicher weiterer Schauplatz des Konfliktes mit dem Terrorismus.