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Kultur als Chance

Von Christian Vranek

Gastkommentare
Christian Vranek ist Kulturmanager. 2009 gründete er das Beratungsunternehmen Culture Creates Values, davor war er unter anderem am Aufbau des Festspielhauses St. Pölten und an der Musikuniversität Wien in leitenden Funktionen tätig.
© Gerlinde Miesenböck

Wenn die Kulturnation Österreich mit 1. Juli den EU-Vorsitz übernimmt, sollte dabei auch die Musik eine Rolle spielen.


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Wann immer Österreich sich staatstragend auf internationalem Parkett präsentiert, darf die Hochkultur nicht fehlen: Mozart, die Wiener Philharmoniker oder beim jüngsten Staatsbesuch in China die junge Salzburgerin Anna Cäcilia Pföß mit Mozarts Kindergeige. In der Hochkultur genießt Österreich weltweites Ansehen. Und es ist kein Witz, dass klassische Musik in China und Japan mittlerweile einen vielen höheren Stellenwert genießt als in unseren Breiten. So hat fast jede größere Metropole in China ein neues Opernhaus und Konzertsäle. Man ist sich neben der seelischen Erbauung auch der kognitiven und sozialen positiven Wirkung der klassischen Musik bewusst - ja, führt die einst geistig und kulturell führende Rolle Europas zu einem gewichtigen Teil darauf zurück.

Mit der 1. und 2. Wiener Schule von Mozart bis Schönberg und der im US-Exil von emigrierten jüdischen Komponisten etablierten 3. Wiener Schule wurde die klassische Musik stilistisch wesentlich von Österreich geprägt. Die Veranstaltung "Hollywood in Vienna" hat zum Bewusstsein für die 3. Wiener Schule hierzulande wertvolle Arbeit geleistet. Doch wird diese bei uns darüber hinaus überhaupt wahrgenommen?

Auch Österreichs berühmtester Violinvirtuose Fritz Kreisler emigrierte nach Amerika. In seiner menschlichen Größe organisierte er von dort aus Hilfslieferungen für die durch das Nazi-Regime und den schrecklichen Krieg leidenden Menschen in Österreich. Auch dies ist kaum jemandem bekannt. Doch es dokumentiert die menschliche und geistige Verbundenheit, die Menschen im Guten in ihrer ethnischen und religiösen Vielfalt einen kann. Mittlerweile wäre der Internationale Fritz-Kreisler-Violinwettbewerb, der im Andenken an den jüdischen Weltbürger alle vier Jahre gleich einer Olympiade für junge Geigenstars aus aller Welt veranstaltet wird (heuer im September an der Wiener Musikuniversität und im Wiener Musikverein), ohne die finanzielle Unterstützung aus Asien undenkbar. Es gehört zum guten Ton und zur globalen Verantwortung, solche für aufstrebende Musiker wichtigen Veranstaltungen mit dem Image angemessenen Summen zu unterstützen.

Doch wie kann unsere Gesellschaft Hochkultur stärker als Chance sehen, sodass politische Entscheidungsträger, wenn es um Kulturaktivitäten geht, nicht ans Sparen, sondern ans Ermöglichen denken? Der Weltmusikstadt Wien bietet sich zum Beispiel aus vielen Gesichtspunkten heraus die Chance, das hiesige öffentliche Musikschulwesen dem Weltruf entsprechend zu beleben. Wenn wir unsere und die europäische Gesellschaft zu einer Gesellschaft der Entfaltung, Lebendigkeit und Offenheit weiterentwickeln wollen, also in die Zukunft führen, dann sollte Musikausbildung schon im Kindergarten beginnen. Musik verbindet Menschen über ihre Sprachkenntnisse und soziale Stellung hinweg. Musik und gemeinsames Musizieren stärken die individuelle Entwicklung, die Empfindsamkeit, die Urteilskraft und darüber hinaus die Integration. Musik fördert aber auch die Kreativität und die Ausdruckskraft, sie bietet so lebendige menschliche Komponenten in einer immer stärker digital geprägten und emotional verkümmernden Welt.

Die klassische Musik und ihre Ideale - Wiener Philharmoniker, Wiener Symphoniker, RSO Wien, Klangforum Wien, Concentus Musicus Wien, Mozarteum Orchester Salzburg, Bruckner Orchester Linz sowie unzählige weitere Ensembles und Solisten - sind wohl das größte Geschenk Europas an die Welt.

Wir sollten daran selbst denken und auch über Europas Grenzen hinaus stärkend wirken. Musik kann dabei in mehrfacher Hinsicht die entscheidende Rolle spielen - durchaus im eigenen Interesse.