Zum Thema "Kulturelle Dynamiken im neuen Europa" wurde vorigen Freitag im Museum für Volkskunde diskutiert. Im Rahmen der dreitägigen Konferenz "Managing Identities - Region, Space and Culture in the Process of Europeanization" hatte das Institut für Europäische Ethnologie der Uni Wien ein prominent besetztes Podium eingeladen.
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Anfangs zitierte der Moderator Konrad Köstlin, Professor für Europäische Ethnologie, aus seinem Einladungsbrief, in dem davon die Rede war, dass "Identitäten" immer neu verhandelt werden müssten. Hier hakte Boris Marte, Leiter der Sponsoring-Abteilung der Erste Bank, gleich zu Beginn ein: dies setze voraus, dass jemand einen Verhandlungsstatus habe und eine Verhandlungssprache existiere. Allerdings nehme "die Bereitschaft, über Grenzen hinweg zu Lösungen zu kommen, nicht zu". Im Moment konstatiere er eher eine "Rückbesinnung auf das Traditionelle."
"Zuckerstück im Kaffee"
Barbara Coudenhove-Kalergi, ausgewiesene Europaexpertin, modifizierte dies in Hinblick auf eine "gewisse Ungleichzeitigkeit": In den Beitrittsländern herrsche Angst, dass die neu erworbene Identität von Moskau nach Brüssel aufgegeben werde. Sie zitierte Václav
Klaus: "Wenn wir nicht aufpassen, werden wir in der EU aufgehen wie ein Zuckerstück im Kaffee."
Allerdings machte Coudenhove-Kalergi auch darauf aufmerksam, dass sich die Jugend nicht mehr in diesem Ausmaß über Nationalitäten definiere. Mit jeder Integration wachse das Bedürfnis nach Abgrenzung, so stellte Emil Brix, Leiter der kulturpolitischen Sektion im Außenministerium, fest. Er beschrieb das interessante
Phänomen, dass manche Länder ihre Identität aus einer "nichteigenen" nationalen Tradition speisen: In Polen etwa werde das Bildnis von Kaiser Franz Josef in der Werbung eingesetzt.
Peter Niedermüller von der Berliner Humboldt-Universität wies auf die Bedingungen jeglicher Diskussion hin - dass nämlich die Sprachen kulturell unterschiedlich geprägt seien. Er forderte, "auch außerhalb unserer nationalen Grenzen stattfindende Diskussionen wahrzunehmen und einzubeziehen." Dass Irritationen durch die kulturellen Differenzen notwendig seien, bemerkte zuletzt Orvar Löfgren von der Universität Lund.
In der anschließenden Diskussion lieferte Boris Marte ein Stichwort, als er von der uniformen Jugendkultur sprach: "Egal wohin man hört - dieselben Songs". Niedermüller, der in den 70er-Jahren in Budapest studiert hatte, konterte: wenn man damals Deep Purple und Santana hören wollte, musste man deren Platten einschmuggeln.
Coudenhove-Kalergi stellte als letzte große Frage die nach den europäischen positiven Gemeinsamkeiten; eine davon sei für sie der Wohlfahrtsstaat. Brix sah dagegen selbst die angenommenen "europäischen Werte" — Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft — gefährdet. Und ob die Kultur die großen Spannungen zusammenhalten kann, "dessen bin ich mir nicht sicher."