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Die "Musikviertelstunde" im "Radiokolleg" der vergangenen Woche war dem Thema "Töne am stillsten Örtchen" gewidmet. Dorothee Frank setzte sich mit dem Phänomen auseinander, dass wir auf Schritt und Tritt einer Dauerberieselung durch Musik aller Art ausgesetzt sind. Ob im Restaurant, im Shopping-Center, in der U-Bahn, in der Telefon-Warteschleife, im Taxi oder sogar auf der Toilette - überall ist die so genannte "Hintergrundmusik" präsent, dringt an unser Ohr und drückt auf unser Gemüt. Es formieren sich zwar Initiativen gegen diese zunehmende Überflutung mit Klangmüll, doch die meisten Menschen nehmen die Belästigung offenbar widerspruchslos hin: Eher scheint man vor der Stille Angst zu haben als vor der allgegenwärtigen Geräuschkulisse.
Zu den Kritikern, die die Unsitte der Dauerberieselung als "Kulturschande" anprangern, gehört "Pasticcio"-Moderator Otto Brusatti. In einem Schreiben an Kollegen Reinhard Aumaier wirft er - aktueller Anlass ist die Beschallung in der Karlsplatz-Passage - auch den Medien Versäumnisse vor: "Man wird beschallt - Klassik (Beethoven und Mozart und Schubert und so / Unvollendete und Paukenschlag und Pastorale und so) - aus krächzenden Lautsprechern - vor allem hinunter auf die überaus armen und ausgestoßenen und gesellschaftlich schon voll hinausgeschmissenen Fixer und Säufer und Huren - auf's Erbrochene und auf die tatsächlich Selbsterniedrigten und -beleidigten - auf den Abschaum, der uns (!) selbst kommt usw. Aber da kuschen alle, die Medien und Kommentare. Vor dem "Haus der Musik". Vor der Klassik-Verhunzung. Vor dem Wien-Kultur-Skandal, der nicht sein darf. Weil: Da müsst man tatsächlich von einem negativen Ereignis berichten." Brusatti hat Recht. Setzen wir also ein Zeichen und kuschen wir nicht.