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Noch bevor es herausgekommen ist, hat es schon für heftige Reaktionen gesorgt: Das neue Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer", das ab sofort im Handel erhältlich ist, beschreibt Integrationsprobleme mit muslimischen Schülern an österreichischen Schulen. Die Autorin Susanne Wiesinger ist Lehrerin an einer Neuen Mittelschule in Wien und war neun Jahre lang Personalvertreterin der sozialdemokratischen Lehrergewerkschaft. Es ist durchaus mutig von ihr, das Thema persönlich in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie hat eigenen Angaben zufolge das Buch geschrieben, weil sie will, "dass endlich eine Diskussion über dieses Thema abseits von Populismus entsteht".
Doch die ersten Reaktionen sind weit weg von Sachlichkeit oder einem lösungsorientierten Ansatz: Die FPÖ spricht wieder einmal von der stark um sich greifenden Islamisierung unserer Gesellschaft, die ÖVP wirft der rot-grünen Wiener Stadtregierung Versagen vor. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer fordert die Wiener Stadtpolitik sogar auf, hier "endlich aufzuräumen".
Das allerdings widerspricht Wiesingers Intention. Es geht ihr - so sagt sie in einem aktuellen Interview - "um mehr Einbindung und Akzeptanz unserer Mehrheitsgesellschaft". Es geht um Integration, nicht um Ausgrenzung. Und Integration hat mit "Aufräumen" nichts zu tun. Die Kinder, über die Wiesinger schreibt, sind Teil unserer Gesellschaft. Die kann man nicht wegsperren oder wegzaubern. Man muss sich um sie kümmern, man muss mit ihnen und ihren Eltern arbeiten - und nicht gegen sie kämpfen.
Dass es hier Verbesserungsbedarf gibt, ist kein Geheimnis. Nicht ohne Grund wurden jüngst über den Integrationstopf in ganz Österreich Schulsozialarbeiter eingesetzt - 41 allein in Wien. Bereits seit 2014 arbeitet das Netzwerk gegen Radikalisierung, in dem sich unter anderen Vertreter von Jugendhilfe, Verfassungsdienst, Polizei und Stadtschulrat befinden und Workshops für Pädagogen geben. Seit einem halben Jahr gibt es diese Vernetzung auf Wiener Initiative auch bundesweit. Erst vor dem Sommer gab es in Wien einen runden Tisch mit allen Parteien, Polizei und Stadtschulrat zum Thema Gewalt an Schulen, um Lösungen zu erarbeiten.
Die sachlich gestellte Frage muss hier generell lauten: Genügt das? Was wird noch gebraucht? Jetzt wieder gebetsmühlenartig die alten Vorwürfe einer "undifferenzierten rot-grünen Willkommenskultur" auszupacken oder vor der islamischen Unterwanderung unserer Gesellschaft zu warnen (aber gleichzeitig die Mittel für die Integration zu kürzen), bringt niemandem etwas. Es sei denn, man will weiterhin bewusst in der Bevölkerung Ängste schüren und den Fremdenhass befeuern.