Prager Opposition plant im Jänner Misstrauensvotum gegen Regierung. | Prag/Wien. (apa) Der tschechische Regierungschef Mirek Topolanek steht schon seit einigen Monaten innenpolitisch ziemlich unter Druck. Zunächst war nach einer schweren Niederlage bei den Regionalwahlen im Oktober der Verbleib Topolaneks an der Parteispitze unsicher. Zuletzt verweigerte ihm das Prager Parlament am Freitagabend die Gefolgschaft. Das Abgeordnetenhaus lehnte die Regierungspläne für die Auslandseinsätze des tschechischen Heeres 2009 ab. Und da stellen sich kritische Beobachter die Frage, wie ein Mann, der weder seine Partei und noch das Parlament im Griff hat, die EU führen soll?
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Topolanek hat die EU-Ratspräsidentschaft zur "persönlichen Priorität" erklärt. Tschechien ist auf die Übernahme des EU-Vorsitzes im ersten Halbjahr 2009 sehr gut vorbereitet, bestätigen Experten. Das Land verfügt mit Karl Schwarzenberg außerdem über einen äußerst europafreundlichen, welterfahrenen und angesehenen Spitzendiplomaten als Außenminister. Darüber hinaus hat die Regierung ein Amt eingerichtet, das sich allein mit EU-Fragen beschäftigt. Vizepremier Alexandr Vondra bekleidet diese Stelle. Mit typisch tschechischem Humor ließ Vondra die Zweifler bereits wissen: "Ein Underdog zu sein, ist keine schlechte Startposition. Man kann die anderen positiv überraschen."
Man muss sich also vermutlich um den tschechischen Vorsitz keine Sorgen machen. Dennoch hat Topolanek innenpolitisch auf einigen Fronten zu kämpfen: Beim Parteikongress seiner konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) Anfang Dezember hatte er sich zwar gegenüber seinem Rivalen, dem EU-skeptischen Prager Bürgermeister Pavel Bem durchsetzen können. Die Kritiker in seiner Partei sind damit aber noch nicht ruhiggestellt. Der Hauptkritiker, Parteigründer und Präsident Vaclav Klaus, hat der ODS bereits den Rücken zugekehrt.
Klaus will angeblich eine neue rechtskonservative und europaskeptische Partei unterstützen - laut Beobachtern, auch um Topolanek "ein´s auszuwischen". Diese Plattform soll mit der Bewegung Libertas des irischen Lissabon-Vertragsgegners Declan Ganley im Zusammenhang stehen.
Spannende Abstimmung
Der selbst ernannte "EU-Dissident" Klaus wird sich im ersten Halbjahr 2009 kaum ein Blatt vor den Mund nehmen, wenn ihm Entscheidungen Topolaneks oder der EU missfallen. Der Staatspräsident hat dies auch beim jüngsten EU-Gipfel getan, als die 27 Staats- und Regierungschefs beschlossen, pro Mitgliedsland einen EU-Kommissar zu belassen. Dies widerspreche dem Vertrag von Lissabon. "Entweder es gilt alles oder es gilt nicht", mokierte sich der Mann, der den EU-Reformvertrag ohnehin ablehnt.
Tschechien hat als einziges EU-Land noch nicht über das EU-Abkommen abgestimmt. Beide Parlamentskammern hatten im Dezember die Debatte darüber unterbrochen. Erst im Februar soll der Lissabon-Vertrag wieder auf die Tagesordnung kommen. Dabei wird die Frage allerdings mit einem weiteren Thema verknüpft: dem US-Raketenschild. Topolaneks ODS hatte diese Verbindung hergestellt. Ein Teil der Partei ist der EU kritisch gegenüber eingestellt und sieht den Vorsitz nur als "organisatorische Übung". Das südwestlich von Prag geplante US-Radar ist in der ODS dagegen unumstritten. Der EU-Reformvertrag ist somit zum "Opfer" des Radars geworden, meint der Premier.
Die Abstimmung über Reformvertrag und Radar dürfte also spannend werden. Die Regierung stützt sich auf Überläufer von den oppositionellen Sozialdemokraten. Dafür gibt es im Regierungslager einige Parlamentarier, die in Opposition zu Topolaneks Politik stehen. Die Politik ist auch bei der Bevölkerung wenig beliebt. Bei den Regional- und Teilsenatswahlen im Oktober verloren die Regierungsparteien deutlich.
Die Wahlschlappe hatte bis zum Parteitag, bei dem Topolanek um seine Wiederwahl als Parteichef bangen musste, keine Konsequenzen. Am Dienstag kündigte Topolanek allerdings eine Regierungsumbildung an. Diese soll rasch realisiert werden. Ob das ohne Turbulenzen funktioniert, bleibt abzuwarten.