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Kunst als Katalysator

Von Julia Rumplmayr

Ein Bügeleisen kann auch den Fortschritt befeuern: Eric Siu hat zwei davon in eine Kamera und einen Bildschirm verwandelt, zu sehen in der Ausstellung "Device Art".
© Eric Siu

Wie funktioniert Veränderung?


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Linz. In der Shopping-Arkade macht ein Schlagzeugcomputer Krawall, daneben schweben weiße Styroporkugeln. Das Jugendfestival "Create the world" hat das Akademische Gymnasium erobert: Im Innenhof und im Turnsaal wird zum Thema Film experimentiert. Wenige Schritte weiter in der Fußgängerzone testet eine chinesische Künstlergruppe noch ihr Projekt: Nur wenn man mit voller Geschwindigkeit gegen eine geschlossene Türe läuft, öffnet sie sich auch. "Man braucht volles Vertrauen in die Technik", erklärt einer von ihnen ihr Motto.

Raus aus den Schneckenhäusern

Das Motto des diesjährigen Ars Electronica-Festivals war die Veränderung; "C . . . what it takes to change" der dazugehörige, nicht ganz unsperrige Titel. Das C steht dabei für eine Vielzahl von Begriffen: Creativity, Communication, Chaos . . . "Es ist eine der zentralen Fragen unserer Zeit: Was ist notwendig, damit Veränderung passieren kann? Mit der Idee, dem Thema ein ganzes Festival zu widmen, geht es uns nicht darum, zu überlegen, was wir verändern können - sondern über unser Verhältnis zu Veränderung nachzudenken. In Europa haben wir diese Leidensdruckhaltung, es soll nur nicht schlechter werden, Dinge sollen sich nur verändern, damit es so bleibt, wie es ist. Wir überlegen, wie man künstlerische Prozesse für die Veränderung einbringen kann", sagt der künstlerische Leiter des Ars Electronica Centers, Gerfried Stocker, der von der Katalysatorfunktion der Kunst überzeugt ist.

Die größte Veränderung des diesjährigen Festivals waren seine Locations: Nach den eher dezentralen Spielstätten der vergangenen Jahre wie der Tabakfabrik und dem Brucknerhaus wanderte man nun in die Innenstadt, in das kleinräumige Geviert um Landstraße, Spittelwiese, Promenade und Herrenstraße. "Unter dem Titel ‚Veränderung‘ ist es nicht möglich, alles zu machen wie immer. Deshalb gehen wir raus aus den Schneckenhäusern rein in die Stadt", erklärt Stocker.

Bis Montag wurden nun Vorträge in der Schalterhalle einer Bank gehalten, Ausstellungen im Dom gezeigt, Geschäfte, Tiefgaragen, Turnsäle bespielt. "Das verändert das Festival und die Begegnung damit sehr stark. Wenn ich den Dingen zufällig auf der Straße begegne, ist das etwas ganz anderes, als wenn ich bewusst einen Veranstaltungsort betrete. Die Projekte sind zum Teil sehr subkutan und oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen."

Die Reise führte aber auch an die klassischen Spielorte der Ars Electronica: Im OK Center sind mit der Cyber Arts Ausstellung die Werke der Preisträger des Prix Ars Electronica und eine Werkschau des Klangkünstlers Bill Fontana zu sehen, und auch das AEC war mit seiner Dauerausstellung, dem Deep Space und der Device Art-Ausstellung zentraler Spielort.

Ausstellung

(jr) Eigentlich sind "devices" einfach "Geräte". In der jungen Kunstform "device art" entwickeln sie ein Eigenleben: gefühllose Maschinen zeigen plötzlich Humor, spielen mit sich und ihrer Umwelt. Eine Künstlergruppe rund um den Wissenschafter Hiroo Iwata von der Universität Tsukuba in Japan initiierte vor zehn Jahren diese neue Kunstform. Hiroo Iwata war erstmals 1996 auf der Ars Electronica zu Gast und kuratiert nun hier am Ars Electronica Center die Device Art Ausstellung, die auch nach dem Festival noch zu sehen ist.

"Haben Sie einen 3D-Drucker zuhause?", fragt Masahiko Inami und erntet Kopfschütteln. "Vielleicht doch!", meint er und befüllt eine Mikrowelle mit gestanztem Papier, das sich durch Beschichtung und die Wärme der Mikrowelle in dreidimensionale Tiere oder Autos verwandelt. Eric Siu aus Hongkong stellt sich als lebende Kamera "Touchy" vor: Wer den jungen Künstler mit der kuriosen Helmkamera zehn Sekunden lang berührt, wird von der Kamera fotografiert. Siu verwandelte auch zwei Bügeleisen in ein Duo aus Kamera und Bildschirm, mit dem Besucher experimentieren können. Es sind Projekte wie diese, die repräsentieren, wofür "device art" nach Hiroo Iwata steht: Sie haben einen technologischen Hintergrund, werden oft schon kommerziell genutzt und haben ihre Wurzeln in der japanischen Kultur, die Kunst in den Alltag integriert.

Neben den japanischen Arbeiten werden aber auch Werke kroatischer, slowenischer und kalifornischer Künstler gezeigt. Die meist humorvolle Funktion erschließt sich auf den zweiten Blick - wie beim "Happiness Hat" von Lauren McCarthy, der durch Pieksen am Hinterkopf zum breiten Lächeln zwingt.